Noch vor Washington hat Tusk Kiew besucht. Seine Botschaft, dass der Kampf um die Ukraine auch ein Kampf um die Sicherheit Polens und des ganzen demokratischen Europas ist, richtet sich aber auch an die USA.
“Als Donald Tusk Ende Januar Kiew besuchte”, berichtet Ivo Mijnssen in der NZZ vom 6.2.24, “liess er den solidarischen Geist der ersten Kriegstage von 2022 wiederaufleben. Der polnische Ministerpräsident forderte «die volle Mobilisierung der freien Welt, um der Ukraine in diesem Krieg zu helfen». Er habe genug von europäischen Politikern, die sagten, sie seien der Situation dort überdrüssig. «Polen wird alles tun, um die Siegeschancen der Ukraine zu vergrössern.»” (Link)
Im Hinblick auf einen Wahlsieg Trumps bemühe sich Tusk um eine Stärkung der Beziehungen zu den europäischen Regierungen, insbesondere zu Paris und Berlin. Dabei strebe Warschau eine sicherheitspolitische Führungsrolle in Europa an.
Im Bewusstsein, dass sie selbst in einem Rüstungsrückstand und schlecht vorbereitet auf einen Angriff Putins auf ein NATO-Land sind, könnten nun europäische Regierungen ihre Bereitschaft vermindern, die Ukraine mit Waffen und Munition zu unterstützen. Das Dilemma ist augenfällig: Beendet Putin den Ukrainekrieg als Sieger, hat er freie Bahn für einen Angriff auf eines oder mehrere Länder, denen er bereits damit drohte und aus seinem Umfeld drohen liess: primär die baltischen Staaten und Polen. In diesen Fällen träte die NATO-Beistandspflicht in Kraft.
Die europäischen Demokratien müssten also jetzt beides tun: Durch Unterstützung der Ukraine einen Sieg Putins zu verhindern helfen und zugleich ihre Bereitschaft erhöhen, direkt in einen Krieg mit Putin einzugreifen, wenn er ein NATO-Land überfällt. Dies in einer Situation, in der in Westeuropa soziale Spannungen hochkommen: Bauern, Lokomotivführer, Gesundheitspersonal, Lehrkräfte und wohl vermehrt noch andere Gruppen ihre Ansprüche stellen, die mit dem finanziellen Mehrbedarf der eigenen Armeen und der Ukrainehilfe konkurrieren.
Jedenfalls lohnt es sich, die anlaufenden NATO-Grossmanöver “Steadfast Defender 2024” zu beobachten und die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden, zu beurteilen, auch im Hinblick auf die Bedeutung der US-Truppen, die nach einem Wahlsieg Trumps fehlen würden.
Siehe auch:
“Polen – künftige sicherheitspolitische Führungsmacht Europas?” (Link)
“‘America first’ – wie weit könnte Trump Putin vordringen lassen?” (Link)