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„Einbindung“ extremer Parteien: Voraussetzungen und Aussichten

Sollen die demokratischen Parteien Deutschlands die AfD "einzubinden" versuchen? Ist "Einbindung" überhaupt möglich, und welche Bedingungen wird eine extreme Partei stellen, wenn sie einen Kooperationswunsch wahrnimmt?

Extremistische Parteien haben ihre Basis und ihre Kader radikalisiert. Dies schränkt ihre Handlungsfreiheit ein. Wenn sie von den geschürten Erwartungen Abstand nehmen, riskieren sie Rückgang ihrer Unterstützung, allenfalls Spaltung.

Deshalb kann und will sich eine Partei wie die AfD nicht wirklich „einbinden“ lassen. Sie kann allenfalls eine strategische Phase guter Miene einlegen, um in Koalitionen und somit zu Ämtern zu kommen. Aber Basis und Kader werden argwöhnisch beobachten, ob es sich lohnt.

Sich lohnen heisst für eine solche Partei: Mit Billigung oder gar Unterstützung der vorübergehend akzeptierten Partner einen Teil des eigenen Programms umzusetzen, und dies mit staatlichen Mitteln, mit Behördenkompetenzen. Sich lohnen heisst auch: Durch sach- und personalpolitische Erfolge, durch Plattformen und Ausstrahlung von Bürgermeistern und Landesministern die Erfolgschancen für kommende Wahlen zu steigern.

Es ist damit zu rechnen, dass eine autoritäre, extreme Partei wie die AfD eine Partnerschaft mit einer Partei, die ihre „Einbindung“ anstrebt, nur solange weiterführt, als sie sich Nutzen davon verspricht. Sobald sie sich durch Wahlen und/oder Gewaltmittel stark genug für eine Alleinherrschaft hält, wird sie ihre Partner und Steigbügelhalter über Bord werfen. Die Parteien, die vor 1933 mit den Nationalsozialisten koalierten, erfuhren dies. Es trifft zu, dass unter anderen Aspekten Nachkriegs-Deutschland nicht mit der Weimarer Republik verglichen werden: Eine AfD, die gegen die rechtsstaatliche Demokratie aufstünde, könnte allenfalls Martial-Arts-Trainierte und Waffenbegeisterte, aber keine kriegserprobten, frustrierten („im Felde unbesiegt“) Soldaten einsetzen, und Polemik gegen die EU kann zwar verfangen, ist aber weniger wirksam als damals die Propaganda gegen den Versailler Vertrag und dessen Auswirkungen auf Deutschland. Doch auf die Partnertreue einer rechtsextremen Partei verlassen sich demokratische deutsche Parteien besser nicht.

Welche Bedingungen wird eine AfD stellen, wenn sie den Eindruck bekommt, demokratische Parteien seien zum Urteil gelangt, gegen einen weiteren Aufstieg der Rechtsextremen gebe es nur noch die Strategie der „Einbindung“? Welche Bedingungen können und wollen die Parteien annehmen, die die „Einbindung“ anstreben?

Wer der Meinung ist, Deutschlands bürgerliche Parteien müssten sich ohnehin längst stärker nach rechts bewegen, insbesondere in der Migrationspolitik, mag diese Bedingungen begrüssen. Wer die Ursache für den Aufstieg der AfD vor allem darin sieht, dass die andern Parteien einen „Einheitsbrei“ anböten, mag dessen Ende willkommen heissen. Allerdings geht es um viel: Etwa darum, auf welchen Kerngehalten von Menschenrechtsgeltung, Rechtsstaatlichkeit und Humanität in der Flucht-, Migrations- und Sicherheitspolitik die Parteien, die mit der AfD „Einbindungs“-Partnerschaften eingingen, noch beharrten.

Schwer vorstellbar ist der Abschnitt eines Koalitionsvertrags mit der AfD, wenn es um Russland, die Ukraine und die NATO geht. Dies muss nicht erst aktuell werden, wenn die „Einbindungsstrategie“ die Stufe der Bildung der Bundesregierung erreicht. Die AfD kann diesbezügliche Bedingungen bereits stellen, wenn in einem Bundesland eine „Einbindungs“-Koalition mit der AfD angestrebt wird.

Besorgniserregend ist die Erwartung, dass bürgerliche Parteien in der Folge an ihrer Wählerbasis für politische Positionen werben müssen, die ihren Ursprung in der AfD haben, und ihr Widerstand gegen rechtsextremen Ungeist, gegen Anti-NATO- und Anti-EU-Agitation erlahmt.

Wohl möglich, dass sich in einzelnen Bundesländern in bürgerlichen Parteien trotz allem der Wille durchsetzt, die AfD durch Aufnahme in die Landesregierung „einzubinden“. Eine gute Erfolgsprognose kann man hierfür nicht stellen, weder für diese Parteien noch für Land und Bund.

Ist die Schweiz ein Musterbeispiel für „Einbindung“ rechts- und linksextremer Kräfte? Sie werden nicht „eingebunden“ und lassen sich nicht „einbinden“, sondern konnten sich ungehindert weiter radikalisieren, weil in der Schweiz die Zugehörigkeit zur Regierung sachpolitisch bedingungslos ist. Die Polparteien, die sich radikalisieren, blockieren mehr und mehr die Politik von Regierung und Parlament, mitunter durch die sogenannten unheiligen Allianzen. Aktuell das bedenklichste Beispiel ist die Blockade der Neuregelung der Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union. Und die „Einbinder“ sehen mit an, dass die Rechtsaussen-Polpartei SVP ihr Ressort Europapolitik in der Parteileitung dem Putin-Propagandisten Roger Köppel überlässt.

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Anlass zu diesem Text war ein Artikel von Eric Gujer, Chefredaktor der „Neuen Zürcher Zeitung“: „Die ratlose Republik – Warum Deutschland im Umgang mit der AfD überfordert ist“. „Der andere Blick“, 18.8.23 (Link).

Zur politischen Lage und Entwicklung Deutschlands siehe auch:

„Ohne EU ein besseres Europa?“ (Link)

„Deutschlands Krise“ (Link)

„Den Deutschen fehle Wehrwille – ergibt sich aus einer fragwürdigen Umfrage“ (Link)

„NZZ über Deutschland: Von Bashing zur Beschimpfung“ (Link)

„‚Deutschland muss!'“ (Link)

„Wenn ein Schweizer Publizist ‚kurz den Eindruck‘ hatte, Deutschland werde ‚erwachsen'“ (Link)

„Wie weiter mit der deutschen Regierung?“ (Link)

„Die deutsche FDP könnte die Ampelkoalition verlassen – und wird dies vielleicht müssen“ (Link)

„Zur Kritik aus der Schweiz an der deutschen und französischen Russland-Politik“ (Link)

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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