Wer von Klassengesellschaft spricht, sollte sich im Klaren sein, was eine Klasse ist: Eine Gesellschaftsschicht, der man angehört, sei es, dass man in sie hinein geboren oder durch sein Schicksal in sie ab- oder aufgestiegen ist – oft ohne eigenes Dazutun, ohne besonderes Geschick oder Ungeschick. Die Zugehörigkeit zu einer sozialen Unterschicht ist selten oder nie das Ergebnis freier Wahl, und deshalb nicht mit den Konsequenzen eines Entscheids wie der Impfverweigerung vergleichbar. Impfgegner mögen noch so heftige Kämpfer sein, aber sie sind keine Klassenkämpfer.
Noch abwegiger ist der Vergleich mit der Judenverfolgung oder der Verfolgung anderer Ethnien. Als Jüdin oder Jude geboren worden zu sein, war und ist Schicksal. Die Verbrechen der Nazis und Faschisten an den jüdischen Mitmenschen waren auch deshalb von unvergleichlicher Abscheulichkeit, weil sie sich gegen ein vorgegebenes Identitätsmerkmal richteten. Es ging auch nicht primär um Religion, denn die Konversion zum Christentum schützte nicht vor Verfolgung und Vernichtung. Wenn man sich dies einmal bewusst macht, kann jede und jeder selbst beurteilen, was vom Vergleich der frei gewählten Rolle eines Impfverweigerers mit einem verfolgten Juden zu halten ist.