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Wenn Magdalena Martullo-Blocher Gas- und Friedensverhandlungen mit Putin fordert

Mit Putin kann und will man nicht verhandeln. Dies ist die aktuell in den westlichen Staaten vorherrschende Überzeugung. Die Versuche, mit Putin eine Friedensordnung zu erhalten, seien gescheitert - wie damals das "Appeasement" mit Hitler. Aber es gibt Ausnahmen - so Magdalena Martullo-Blocher, die Gas- und Friedensverhandlungen mit ihm fordert.

Good News für Putin aus der Schweiz: Eine Führerin der wählerstärksten Schweizer Regierungspartei hält die Bemühungen, Putins Gas-Erpressung standzuhalten, für aussichtslos – und mehr noch: Sie hält die militärische Unterstützung für die Ukraine nicht nur für aussichtslos, sondern für Anheizung des Konflikts. Das kann für Putin nur bedeuten: Weiter so, mehr vom Selben, ich bin auf Siegeskurs!

Aus einem Interview der NZZ mit Magdalena Martullo-Blocher (25.6.22):

„Statt den Konflikt weiter anzuheizen, müssen die europäischen Staatspräsidenten ihre Verantwortung wahrnehmen und sich eingestehen, dass sie vom russischen Gas abhängig sind. Europa muss mit Putin eine stabile Gasversorgung mindestens bis im Frühling 2023 und einen Frieden verhandeln! Stattdessen reisen die Staatspräsidenten in die Ukraine und stellen weitere finanzielle Mittel, die sie nicht haben, für Waffen und einen EU-Beitritt in Aussicht.“

Die Forderung, dass EUROPA jetzt mit Putin über Frieden verhandeln müsse, ist eine totale Entsolidarisierung von der Ukraine, die den Anspruch erhebt, dass nicht ÜBER sie, sondern – zu gegebener Zeit – MIT ihr über Frieden verhandelt werde. Eine Entsolidarisierung auch vom  westlichen Widerstand gegen Putins erklärten Willen, das russische Imperium wieder herzustellen. Eine Distanznahme von der wohlbegründeten Überzeugung, dass Putin nicht aufrichtig über Frieden verhandeln wird, solange er eine Chance auf Erreichung seiner Kriegsziele in der Ukraine und auf eine anschliessende erfolgversprechende Ausweitung seiner Aggression auf die angrenzenden NATO-Staaten sieht.

Martullo-Blochers Forderung steht im Kontext der gesamten Aussen- und Sicherheitspolitik der SVP, aber auch der erklärten Sympathie des Ressortsleiters Europapolitik dieser Partei, Roger Köppels, für Putin als Wahrer europäischer Werte, die im dekadenten Westen im Niedergang seien. Sie beleuchtet auch die Neutralitätsinitiative, für die die SVP demnächst Unterschriften zu sammeln beginnt.

Die SVP-Führerin stellt Putin auch in Aussicht, der Widerstand der westlichen Regierungen gegen seine imperiale Aggression werde im Westen zu Unruhen führen und Regierungen in Gefahr bringen. Es liegt auf der Hand, dass populistische Parteien, die der SVP nahe stehen, wie das französische Rassemblement National Marine le Pens, die Folgen der Gasverknappung tatsächlich nutzen würden, um den Sturz der Regierungen zu betreiben.

*

Brutale Diktatoren und Aggressoren können ohne Verhandlungen nur ausgeschaltet werden, wenn es gelingt, sie so zu besiegen, wie Hitler besiegt wurde. Dies ist im Fall Putins derzeit noch nicht vorstellbar, und vielleicht nie. Die Wiederherstellung einer Koexistenz mit Putin kann und soll deshalb nicht für alle Zeiten ausgeschlossen werden. Auch mit Stalin und Mao musste der Westen koexistieren. Aber Putin gerade jetzt Friedensverhandlungen anzubieten und zugleich die westliche Niederlage im Gas- und Wirtschaftskonflikt zu prognostizieren, torpediert die Annäherung an einen Zustand, der eine Rückkehr zu einer Koexistenz ohne offenen Krieg ermöglicht.

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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