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Wenn das Blatt des SVP-Bereichsleiters Europapolitik den russischen Botschafter interviewt

Nun hab’ ich doch noch das Interview mit dem russischen Botschafter in der Schweiz, Sergei Garmonin, gelesen, das in der Bundesfeier-Nummer der Weltwoche erschien (Nr. 30/31.23). Das Blatt des Bereichsleiters der SVP Schweiz für Europapolitik, Roger Köppel, ist nicht nur, wie hier bereits festgestellt, gänzlich uninteressiert am Schicksal von Alexei Nawalny, seiner neuerlichen Verurteilung und Strafverschärfung. Köppels Blatt brachte sogar fertig, den russischen Botschafter nicht auf die Drohung anzusprechen, die er gegen den NZZ-Journalisten Ivo Mijnssen aussprach.

Johannes Ritter, der Schweiz-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen, berichtete am 20. April dieses Jahres:

“Die russische Botschaft in Bern droht einem Schweizer Journalisten mit der Verhaftung, sollte dieser nach Russland einreisen. So lässt sich ein eineinhalb Seiten langer, in deutscher Sprache verfasster Text zusammenfassen, den der Pressedienst der Botschaft vor wenigen Tagen im Internet veröffentlicht hat. Darin geht es um einen am 7. April veröffentlichten Text von Ivo Mijnssen, der für die Ukraine zuständiger Korrespondent der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) mit Sitz in Wien ist. Mijnssen schreibt in dem Stück über den ukrainischen Widerstand in der russisch besetzten Stadt Melitopol in der südukrainischen Region Saporischschja. (…)” (Link)

Am selben Tag ging auch PolitReflex unter dem Titel “Wenn Putin Europa beherrschen würde” auf diese entlarvende Entgleisung ein (Link):

“Der russische Botschafter in der Schweiz, Sergei Garmonin, bedroht einen NZZ-Journalisten wegen einer Reportage mit Straflager, wenn er sich nach Russland begäbe. Damit leistet er der Schweiz Orientierungshilfe: So würde Putin in Europa herrschen, wenn man ihn vormarschieren liesse. Das wäre nicht nur das Ende von Informations- und Meinungsfreiheit, sondern auch das Ende der Geltung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit. (…)”

Und nun also dieses Interview mit Garmonin. Wir nehmen den Interviewer als wohlwollenden Stichwortgeber wahr. Loyalität unter journalistischen Kollegen? Fehlanzeige. Einsatz für Pressefreiheit? Nochmals Fehlanzeige. Mag ja sein, dass seine Exzellenz Garmonin das Interview nur unter der Bedingung gab, auf seine Drohung gegen Mijnssen nicht angesprochen zu werden.

Dafür die unsägliche Frage: “Die ukrainische und auch viele westliche Regierungen argumentieren, dass die Ukraine den ganzen Westen und dessen Werte verteidige. Wenn die Ukraine den Krieg verlöre, würden die Russen andere Länder überfallen. Muss sich die Schweiz vor Russland fürchten?” Was würden Sie als Botschafter Garmonin antworten? Ja doch: “Russland hat die Schweiz nie bedroht…” – Wie wär’s mit ein paar Zitaten aus dem Umfeld Putins gewesen? Etwa Medwedews Eurasien-Projekt?

Übrigens gibt es in Westeuropa emigrierte unabhängige russische Journalistinnen und Journalisten (Informationshinweis: “Friends of Novaya Gazeta Europe“). Für die natürlich Köppel, seine Weltwoche und seine Partei auch kein Gehör haben. Das Thema wäre ein Störfaktor für die Putin-freundliche “Europapolitik” des Bereichsleiters und Parteileitungsmitglieds Roger Köppel und seiner SVP.

Schliesslich hat diese SVP – Blocher voran – Russland auch serviert, die Schweiz sei “Kriegspartei“, weil sie sich schlecht und recht an den Sanktionen beteiligt.

Siehe auch:

“Für den Bereich Europapolitik der SVP ist ein Putin-Verteidiger verantwortlich” (Link).

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Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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