Sie befinden sich hier:

KdK-Präsident: Für die Kantone sind geregelte Beziehungen zur EU zentral

Der Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) erklärt in einem Interview deren Haltung zur Europapolitik. Diese ist von Interesse für die Ständeratswahlen, denn die Ständerätinnen und Ständeräte sollen auch die Interessen der Kantone vertreten, nicht nur diejenigen ihrer Partei. Wird es der SVP und denen, wie - wie in Zürich Gregor Rutz - für sie in den Ständerat kandidieren, gelingen, diese Anforderung zu verdrängen?

Auszug aus einem Interview der „Schweiz am Wochenende“ (16.9.23) mit dem Präsidenten der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK), dem Aargauer Regierungsrat Markus Dieth:

Die Kantonsregierungen haben einstimmig die Forderung erhoben, dass der Bundesrat die Sondierungsgespräche mit der EU über ein institutionelles Abkommen abzuschliessen und formelle Verhandlungen aufnehmen soll. Das ist erstaunlich.

Wir haben gemeinsam bestimmt, was unsere Bedingungen für einen Rahmen sind, in dem die Verhandlungen mit der EU zu einem akzeptablen Ergebnis führen können. Wir wollen sektorielle Lösungen, kein horizontales Abkommen. Die Konferenz der Kantonsregierungen ist in einem engen Austausch mit dem Aussendepartement.

Warum ist es Ihnen so wichtig, dass es mit der EU vorwärtsgeht?

Für die 26 Kantone sind geregelte Beziehungen mit der Europäischen Union zentral. Jetzt gibt es eine Chance, aber nicht lange: Sie sollte bis zu den Wahlen in der EU im Sommer 2024 genutzt werden. Die Konferenz der Kantonsregierungen ist gegründet worden nach der gescheiterten EWR-Abstimmung im Jahr 1992. Da wurde den Kantonen klar, dass sie sich einbringen müssen. Die Schweiz braucht eine geregelte Beziehung zur EU.

Die SVP sagt, fremde Richter seien inakzeptabel. Gemeint ist die Rolle des Europäischen Gerichtshofs im Streitfall. Teilen die Kantone diese Bedenken nicht?

Aus unserer Sicht gibt es keine fremden Richter. Es wird ein Schiedsgericht geben, das aus drei Schweizern und drei Angehörigen der EU zusammengesetzt ist. Bei der Auslegung von EU-Recht kann der Europäische Gerichtshof eine Einschätzung abgeben.

Die Kantonsregierungen wollen also, dass die Verhandlungen bald zum Abschluss gebracht werden.

Ja. Die Sondierungsgespräche laufen nun seit einiger Zeit, und es sind Fortschritte erzielt worden. Es scheint mir klar, dass wir mit der EU nun vor dem kommenden Juni ins Ziel kommen müssen. Ich erwarte, dass der Bundesrat das Verhandlungsmandat bald festlegt.

Sie klingen optimistisch. Wo müssen noch Fortschritte erzielt werden?

Ein Stromabkommen ist sehr wichtig – für die Infrastruktur in der Schweiz und für die Versorgungssicherheit. Und die Europäische Union sollte sich meiner Meinung nach beim Forschungsprogramm Horizon bewegen. Es ist nicht richtig, die Schweiz auszuschliessen. Die beiden entscheidenden Dossiers für die Volksabstimmung in der Schweiz sind: erstens eine gewisse Gewährleistung des Lohnschutzes. Zweitens muss bei der Unionsbürgerrichtlinie sichergestellt werden, dass es keine Einwanderung in den Sozialstaat gibt.

Und die Streitschlichtung?

Wenn wir am europäischen Binnenmarkt teilnehmen wollen, unterstehen wir auch diesem Recht. Das muss man gut erklären. Im Fall von Konflikten entscheidet ein Schiedsgericht; ich sehe da aber keine unüberwindbare Hürde.

Sprechen Sie mit dem Zuständigen der EU, mit Chefunterhändler Maroš Šefčovič?

Ja. Ich konnte eine gute Beziehung zu ihm aufbauen. Es ist klar, dass die Führung beim Bund liegt. Aber die Kantone haben ein grosses Interesse, einen Beitrag zu einer Lösung zu leisten. Wichtig wäre, dass sich auch die Wirtschaft bald wieder ein wenig stärker einbringt. Denn die wichtigen Wirtschaftsexponenten spielen eine wichtige Rolle und sollen auch angehört werden.“

*

Im Kanton Zürich wird man Gelegenheit haben, im Ständeratswahlkampf eine Exponentin der Wirtschaft zur Europapolitik anzuhören: Die FDP-Kandidatin Regine Sauter war bisher Direktorin der Zürcher Handelskammer. Als solche nahm sie klar zu Lage und Entwicklung der Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union Stellung: Link. Ihre diesbezüglichen Diskussionen mit Gregor Rutz werden für die Wählerinnen und Wähler aufschlussreich sein.

Auch Stefan Brupbacher, Direktor von Swissmem, Verband der Schweizer Tech-Industrie, kann als Nationalratskandidat der Zürcher FDP dazu beitragen, dass die Haltung zu den Beziehungen der Schweiz zur Europäischen Union zum  Kriterium dafür wird, welche Parteien und welche Kandidierenden gewählt werden. Auf seiner Kandidaten-Webseite bezeichnet er offene Märkte als Voraussetzungen für unternehmerischen Erfolg.

Hier die Stellungnahme des Swissmem-Direktors unter dem Titel „Entscheidende Monate im EU-Dossier stehen bevor – jetzt braucht es Beschleunigung!“

Siehe auch:

„Vielen KMU bereiten die Beziehungen Schweiz-EU schwere Sorgen“ (Link)

„Aussenbeziehungen: Aus Wahlkampf verdrängt – aber Volksinitiativen kommen“ (Link)

 

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

Beitrag teilen

PDF erstellen oder ausdrucken

Schreibe einen Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind markiert *

Kommentar abschicken

Ähnliche Artikel