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Das Wichtigste gehört an die Urne – auch in der Europapolitik.

Dass die wichtigsten Entscheidungen in der Schweiz an der Urne gefällt werden sollen, findet wohl fast hundertprozentige Zustimmung. Aber jetzt, wo es um das Institutionelle Rahmenabkommen geht - eine europapolitische Weichenstellung von grösster Bedeutung -, zeichnet sich ab, dass die Regierung allein entscheidet. Nur schon eine Beratung im Parlament ist offenbar nicht erwünscht, und ein Volksentscheid erst recht nicht.

Mehrere Parteileitungen rechnen damit, dass ihre Fraktion in einer Parlamentsdebatte gespalten wäre, oder dass sie mit massivem Druck Geschlossenheit erzwingen müssten. Nur die SVP als Gegnerin und die Grünliberale Partei als Befürworterin bräuchten diesen Eindruck nicht zu fürchten.

Dann denkt man an den Eindruck bei der EU und ihren Mitgliedstaaten. Ein Beschluss des Bundesrates, das Verhandlungsergebnis abzulehnen, könnte besser aufgenommen werden als eine laute Parlamentsdebatte, ein noch lauterer Abstimmungskampf und eine Ablehnung durch das Volk. NZZ-Chefredaktor Eric Gujer schreibt ja in seinem Artikel, in dem er für „Übungsabbruch“ eintritt, recht optimistisch, nach den Verhandlungen sei vor den Verhandlungen. Allerdings müsse sich die EU hierfür bewegen. Man mag daraus schliessen, es sei nicht im Landesinteresse, in Parlamentsdebatte und Abstimmungskampf vor den Augen und Ohren der europäischen Öffentlichkeit alle Aversionen gegen die EU hochzukochen, die in der Schweiz gegen die EU geschürt wurden und noch werden können.

Dazu kommt wohl auch, dass man die Argumente der Befürworterinnen und Befürwortern einer stärkeren Integration der Schweiz in Europa scheut. Und dass man die Wirkung dieser Argumente bei Mitbürgerinnen und Mitbürgern scheut, die die Kündigungsinitiative der SVP deutlich abgelehnt haben.

Aber man kann diese Argumente nur zurückstauen, nicht aus der Welt schaffen. Wenn das Nein zum InstA ernsthafte Nachteile zeigt, mag in einer ersten Phase Empörung über die EU aufkommen, in einer zweiten aber Besinnung. Das Nein kann die Schweiz mittelfristig näher an das integrierte Europa heranführen als es das InstA getan hätte.

Man lehnt nun also das InstA im Namen der Souveränität der Schweiz ab – aber wie geht man mit der vielbeschworenen Volkssouveränität um? Nicht alles, was an der Urne entschieden wird, ist wichtig. Das verdanken wir einem unbegrenzten Initiativrecht. Aber das Wichtigste gehört vor das Volk – auch wenn die Abstimmung mit Risiken verbunden ist.

Mehr dazu:

„Rahmenabkommen. Thomas Cottier: Volksentscheid! Eric Gujer: Übungsabbruch!“ (Link)

„Was führt die Schweiz eher in die EU: Das Institutionelle Rahmenabkommen oder dessen Scheitern?“ (Link)

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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