Jetzt wird diskutiert, ob eine AfD, die die Institutionen und Verfahren der parlamentarischen Demokratie immer offener in Frage stellt, verboten werden sollte. Auch Innenminister Seehofer zieht dies in Betracht.
Aus einem Kommentar von Reinhard Müller in der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 23.11.2020:
„(…) Denn das Spiel mit dem Feuer ist das Lebenselixier der AfD – Brandstiftung inklusive. Die Versuche, gewaltsamen Druck von der Straße direkt in das Parlament zu leiten, Äußerungen, die dem Menschenbild des Grundgesetzes hohnsprechen, sowie öffentliche Phantasien über Abrechnungen nach einer Übernahme der Macht können keinen Demokraten kaltlassen.
Doch wer das Schwert des Parteiverbots zieht, muss zuvor gut überlegen, ob er sich selbst nicht größere Verletzungen zufügt. Ohnehin können Regierung, Parlament und Bundesrat nur den Antrag stellen – und sind zweimal kläglich damit gescheitert, die extreme, aber auch extrem kleine NPD auflösen zu lassen. Trotz immensen Aufwands scheiterte das erste Verfahren an der V-Mann-Problematik, das zweite an der geringen Bedeutung der verfassungsfeindlichen Partei.
Die AfD ist sicher bedeutend genug. Das wirft aber ganz andere Fragen auf. Sie ist die größte Opposition im Bundestag und auch in den Landesparlamenten gut vertreten. Selbst wenn sich die Verfassungsrichter nach langem Showdown überzeugen ließen, die AfD zu verbieten – was machen dann ihre Millionen Wähler? Ohne Zweifel schafft ein Verbot Klarheit. Es beglaubigt Verfassungswidrigkeit; das sollte Sympathisanten auch im bürgerlichen Lager beeindrucken. Ein Verbot ist aber kein Politikersatz. Die Folge könnte eine weitere Polarisierung oder Radikalisierung sein, die sich mit dem Ende der ins sechzehnte Jahr gehenden Kanzlerschaft Merkels nicht einfach auflösen würde. Das spricht dafür, zunächst weiter die harte politische Auseinandersetzung mit der in der Wählergunst stagnierenden Partei zu suchen – und zugleich Grenzüberschreitungen deutlich zu ahnden. Auch der liberale Staat darf sich nicht alles bieten lassen. Er ist bewaffnet.“