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Wohin bewegen die kommenden vier Jahre Sachpolitik die Fraktionen und Parteien?

Nach der Bundesratswahl 2023 scheint klar zu sein, wer es mit wem kann, wer mit wem nicht, und wer in den nächsten Bundesratswahlen wie wählen wird. Das könnte täuschen.

Momentaufnahme: Die Änderung der Mehrheitsverhältnisse ist aufgeschoben, aber für 2027 oder bei einem vorzeitigen FDP-Rücktritt umso sicherer: Die Mittepartei wird einen FDP-Sitz beanspruchen. Die FDP wird sich deshalb vor allem um die Unterstützung der SVP bemühen. Die SP hat durch die Nichtwahl des grünen Bundesratskandidaten die Allianz mit den Grünen gebrochen, sodass die Grünen das nächste Mal gegen die SP antreten werden. Die Grünliberalen werden von  allen andern als Konkurrenz betrachtet, die es kleinzuhalten und wenn möglich auszuschalten gilt (warum nicht durch Fusion mit der Mittepartei?); der grünliberale Kandidat wurde trotzdem Bundeskanzler, aber als Persönlichkeitswahl eines bisherigen Vizekanzlers und weil eine Mehrheit der Bundesversammlung die SVP nicht weiter stärken wollte.

Den Fraktionen und Parteien stehen jedoch vier Jahre Sachpolitik bevor, und damit auch vier Jahre immer wiederkehrender Notwendigkeit, sich zu den Vorlagen des Bundesrates zu positionieren. Dabei wird sich zeigen, dass Teile der FDP einerseits, Mittepartei und Grünliberalen andererseits – obwohl jetzt gerade spinnefeind – auf Verständigungen unter sich und mit dialogfähigen Teilen von SP und SVP angewiesen sind, unter ständigem Druck, dass sich die „unheilige Allianz“ mit ihrer Mehrheit im Nationalrat durchsetzt. SP und Grüne werden sich unter dem Druck der Sachpolitik wieder aneinander annähern – was dies für die nächsten Bundesratswahlen bedeutet, ist nicht vorhersehbar.

Beispiel Europapolitik: Die SVP wird auf ihrer harten Linie bleiben – gut möglich, dass sie unter Führung der Orban-Begeisterten den Bundesrat sogar in eine Partnerschaft mit Ungarn und andern EU-gegnerischen Kräften drängen wird. Die gewerkschaftlichen Flügel von SP und Grünen machen auch keine Anstalten, sich zu bewegen. Und wenn der Bundesrat Massnahmen zur Stärkung des landesrechtlichen Lohnschutzes vorschlägt, riskiert er, nur einen Rollentausch zu bewirken: Die Gewerkschaften akzeptieren ein Rahmenabkommen, aber die Arbeitgeber gehen ins Nein-Lager.

Falls Bundesrat und Parlament eine Abstimmungsvorlage zur Wiederherstellung einer dauerhaften, soliden Vertragsgrundlage der bilateralen Beziehungen zur EU wagen, hat diese nur eine Chance, wenn sie nicht nur durch den Bundesrat überzeugend vertreten wird, sondern auch durch FDP, Mittepartei und Grünliberale.

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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