Sie befinden sich hier:

Verteidigungsauftrag aus Bundesverfassung streichen?

Ein Artikel eines Redaktors der Schweizer Offizierszeitschrift zeigt, dass wir in der Schweiz ein ernstes sicherheitspolitisches Thema zu behandeln haben.

Die schweizerische Armee hat ihre Verfassungsgrundlage in Artikel 58 der Bundesverfassung.

Dessen Absatz 2 bestimmt die Aufgaben der Armee: „Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen.“

Die „Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift (ASMZ)“ ist das Publikationsorgan der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. Es verdient öffentliche Aufmerksamkeit, wenn ein Redaktor der ASMZ, Major Peter Müller, unter dem Titel „Schlimmer als befürchtet“ die Frage stellt, ob der Verteidigungsauftrag aus der Bundesverfassung gestrichen werden sollte. Er meint, die Armee sei nicht mehr in der Lage, diesen Auftrag zu erfüllen, und es werde ihr in absehbarer Zeit auch nicht mehr ermöglicht werden.

Ist das noch Protest gegen die Militärpolitik von Bundesrat und Parlament oder tatsächlich überlegte, kühle Resignation?

Wer will diese Diskussion tatsächlich führen?

Sie wäre aber wichtig und interessant. Primär müsste man wohl zu hinterfragen versuchen, ob und inwieweit der Autor mit seiner Beurteilung der Armee und ihrer Zukunftsperspektiven recht hat. Man müsste über militärische Bedrohung und deren Entwicklung sprechen. Man müsste grundsätzlich der Fähigkeit autonomer Landesverteidigung eines neutralen Kleinstaats nachgehen. Und schliesslich würde sich die Frage stellen: Wenn ein Land wie die Schweiz sich nicht mehr verteidigen kann – was dann? Beitritt zur NATO?

Historisch gesehen ist das Kriegs-Ungenügen der Schweizer Armee nichts Neues. Als die Schweiz von Nazi-Deutschland und dem faschistischen Italien umgeben war, zog der Bundesrat die Armee ins Réduit, also in den Alpen- und Voralpenraum zurück. Auch im Réduit konnte sie zur Wahrung der Unabhängigkeit der Schweiz beitragen, indem sie eine militärgeografisch begrenzte Widerstandsbereitschaft hochhielt.

Die NZZ beklagt immer wieder, dass Deutschland zu wenig Geld für die Bundeswehr ausgebe. Trump habe recht, wenn er deshalb mit Rückzug von US-Truppen aus Deutschland drohe. So zum Beispiel hier. Major Müllers Artikel zeigt aber, dass wir in der Schweiz ein eigenes ernstes sicherheitspolitisches Thema zu behandeln haben.

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

Beitrag teilen

PDF erstellen oder ausdrucken

Schreibe einen Kommentar

Die E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind markiert *

Kommentar abschicken

Ähnliche Artikel

„Gegenüber Terroristen und Islamisten gibt es keine Neutralität“

Dass es gegenüber Terroristen und Islamisten keine Neutralität gibt, mag den meisten in unserem Lande selbstverständlich sein. Bemerkenswert ist aber, dass dieser Satz am 11.10.23 durch den ehemaligen Präsidenten der AUNS getwittert wurde: SVP-Nationalrat Lukas Reimann. (Blocher liess die AUNS in „Pro Schweiz“ aufgehen.)

Weiterlesen »

Regierungsumbildung in der Schweiz?

Eine Regierungsumbildung ist grundsätzlich auch in der Schweiz möglich, und auch schon vorgekommen. Hätte die Schweiz eine geführte Regierung, ein Präsidium mit Kompetenzen, kann man sich vorstellen, dass dieses Präsidium nun den bisherigen EDI-Chef aus der Schusslinie nähme und das Corona-Management einem Regierungsmitglied aus der bürgerlichen Mehrheit übertrüge.

Weiterlesen »

KVI: Was lösen sehr knappe Abstimmungsergebnisse aus?

Die Konzernverantwortungsinitiative wird auch in der neusten Meinungsumfrage von einer soliden Mehrheit befürwortet. Trotzdem ist ihre Annahme keineswegs gesichert. Selbst bei einem Volksmehr ist für diese Initiative das Ständemehr sehr schwer zu erreichen. Grund genug, sich anhand von Beispielen zu überlegen, wie sich ein knappes Nein oder ein Volks-Ja und Stände-Nein auswirken könnten.

Weiterlesen »