Der Niedergang der Ampel-Parteien ist eine Warnung vor dem Zusammenschluss von Parteien mit allzu grossen Differenzen zu einer Regierungskoalition. Partnerparteien solcher Regierungen verlieren infolge der Kompromisse, die sie eingehen müssen, mehr und mehr die Unterstützung ihrer Basis, und die Regierung zeigt sich immer zerstrittener. Am härtesten trifft dies jetzt die FDP, da sie eine rotgrün geprägte Regierungspolitik mitverantworten muss.
Der thüringische CDU-Chef Mario Voigt erinnerte am Wahlabend daran, dass Thüringen bisher durch eine Minderheitsregierung regiert worden sei, unter dem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow von der Linkspartei. Er wollte damit wohl andeuten, dass auch er bereit wäre, eine Minderheitsregierung zu führen, wenn ihm die Parteien, mit denen er rein numerisch eine Koalition bilden könnte, unannehmbare Bedingungen stellen. Das deutsche Verfassungsrecht begünstigt Minderheitsregierungen, aber in den Konstellationen, die nun in Thüringen und Sachsen eingetreten sind, müssten sie mit dem rechnen, was wir in der Schweiz “unheilige Allianzen” nennen, also vereinte Ablehnung von Regierungsvorlagen durch AfD und Bündnis Wagenknecht (in der Schweiz durch SVP und RotGrün), mit unterschiedlichen Begründungen. Unmöglich ist es trotzdem nicht, unter solchen Voraussetzungen zu regieren, und vielleicht ist es die einzige Möglichkeit.
Sachpolitisch können sich die Wahlergebnisse vor allem auf die Migrationspolitik sowie auf die Ukraine- und Russlandpolitik auswirken. Die Verschärfung der Migrationspolitik ist bereits angelaufen und wird nun wohl beschleunigt. Was in Afghanistan mit Straftätern geschieht, die dorthin abgeschoben werden, spielt bereits jetzt keine Rolle mehr: Die Taliban mögen die einen als Gesinnungsfreunde willkommen heissen, die andern einsperren und misshandeln.
Wladimir Putin hat durch die Wahlen in Thüringen und Sachsen und das Abrücken des sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer von der Ukraine-Unterstützung eine grosse Chance bekommen – nun fragt sich, ob und wie er sie nutzt. In Deutschland wirkt seine Drohpropaganda. Verständlich: Viele Deutsche erinnern sich wieder stärker an die Vernichtung ihrer Städte am Ende des Zweiten Weltkriegs. Krassestes Beispiel war wohl Dresden, die Hauptstadt Sachsens. Das Schlaueste, was Putin tun könnte, wäre, die Drohkampagne durch Versuche zur Vertrauensbildung – wenn auch noch so verlogene – zu ergänzen: Wenn Ihr Russland seine Ukraine lässt, respektiere ich die Unabhängigkeit des Baltikums und Polens.