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Medienförderung: Weshalb sich Kulturschaffende für ein Ja einsetzen.

Es ist von grosser Bedeutung für das Kulturleben, dass die Medienförderung, über die wir am 12. Februar abstimmen, angenommen wird, und dass sie dann die Fähigkeit der Redaktionen bewahrt und stärkt, über das schweizerische Kulturschaffen zu berichten und durch kompetente Kritik zu seiner Weiterentwicklung beizutragen. Hierfür setzt sich auch Suisseculture, die Dachorganisation der Kulturschaffenden, ein.

Mit einer Medienkonferenz eröffnete das Komitee “Ja zur Medienvielfalt” am 5. Januar 2022 seine Kampagne für die Abstimmungsvorlage Medienförderung. Mein Votum als Präsident von ch-intercultur, Verein zur Förderung der Kulturkritik:

“Ich freue mich sehr, dass das Komitee bereit ist, uns einen Moment zur Verfügung zu stellen, um uns der Kultur zuzuwenden. Gern stelle ich an den Anfang, wie der Schriftsteller Guy Krneta die Bedeutung der Kulturberichterstattung und der Kulturkritik umschreibt. Er hat mir diese paar Sätze für diese Medienkonferenz eigens formuliert:

«Medien schaffen nicht bloss Aufmerksamkeit auf künstlerisches Schaffen, sie spiegeln und reflektieren es. Sie ordnen es ein, setzen es in ein Verhältnis zu bereits Bestehendem, leisten Übersetzungsarbeit für Publikum und Förderung. Sie können Resonanzraum sein, der im besten Fall über den Kreis der Kulturinteressierten hinaushallt. Ohne Kulturjournalismus verliert die Kunst an historischem Gedächtnis, ihre Sprache wird kaum noch verstanden, sie ist immer weniger in der Lage gesellschaftliche Wirkung zu erzeugen. Und es wird umso schwieriger, sie demokratisch zu legitimieren.»

Es liegt deshalb auf der Hand, und Frau Camille Roseau hat es bereits mitgeteilt, dass Suisseculture, die Dachorganisation der professionellen Kulturschaffenden der Schweiz und der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaften, die Ja-Parole zur Medienförderungsvorlage beschlossen hat und unserem Komitee auch beigetreten ist.

«Kulturberichterstattung in der Krise»: Unter diesem Titel fand am 26. August vergangenen Jahres in Solothurn eine Tagung statt, zu der die Dachorganisation der Schweizer Förderstiftungen, Swissfoundations, und das Bundesamt für Kultur gemeinsam eingeladen hatten. Namhafte Kulturschaffende bestätigten und erläuterten die Krise der Kulturberichterstattung.

Die Kulturschaffenden sind darauf angewiesen – wie Herr Krneta es sehr schön dargelegt hat –, dass die Öffentlichkeit ihre Werke wahrnimmt, und sie brauchen kritische Resonanz, um sich weiterzuentwickeln. Kulturelles Schaffen braucht kompetente Kulturkritik.

Die Ertragseinbussen der Medienunternehmen, die eben schon anschaulich geschildert wurden, wirken sich aber auch auf Kulturberichterstattung und Kulturkritik aus. Es fehlt hierfür mehr und mehr an personeller Kapazität und in den Printmedien auch an Raum. Dazu kommt, dass Redaktionen unter dem Druck, maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen, personalisierte oder auf gesellschaftliche

Entwicklungen stark fokussierte Berichte und Kontroversen vorziehen, was durchaus gut gemacht wird und oft sehr lesenswert ist, ich les das auch mitunter sehr gern, aber zu Lasten der kritischen Begleitung des Kulturschaffens geht. Mitunter ging ein Kulturressort ein in ein Ressort «Kultur und Gesellschaft» ein. In der Folge können Sie selbst beobachten, dass in Qualitätszeitungen während Tagen keine einzige Kritik eines neuen Buchs – schon gar nicht eines neuen Schweizer Buchs –, einer Premiere, einer Ausstellung bildender Kunst oder eines Konzerts erscheint.

Kulturbezogene Online-Medien wie «Viceversa Literatur» oder «Literatur Schweiz» erbringen sehr beachtenswerte Leistungen, aber sie richten sich an ein besonders interessiertes Publikum, das sie eigens wegen der kulturellen Interessen aufsucht. Sie erheben deshalb nicht den Anspruch, den Kulturschaffenden Ersatz zu bieten für den Rückgang ihrer Präsenz und ihrer Resonanz in den grossen Medien, in den Medien mit breitem Themenangebot. Diese spezialisierten Kulturmedien werden denn auch, obwohl sehr wertvoll, nicht beitragsberechtigt durch das neue Gesetz.

Es ist nichtsdestoweniger von grosser Bedeutung für das Kulturleben, dass die Medienförderung, über die wir abstimmen, angenommen wird, und dann die Fähigkeit der Redaktionen bewahrt und stärkt, über das schweizerische Kulturschaffen zu berichten und durch kompetente Kritik zu seiner Weiterentwicklung beizutragen.”

Link zum Bericht der Tamedia-Zeitungen über die Medienkonferenz des Komitees “Ja zur Medienvielfalt”.

Picture of Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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