Wird es das Argument der Guten Dienste stärken, wenn die Schweiz demnächst zum Standort einer Konferenz zwischen Russland und der Ukraine wird? Viele Menschen in der Schweiz sind empört: Nicht nur über den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, sondern auch über die Weigerung des Bundesrates, sich den Sanktionen der EU anzuschliessen. Wird eine Ukraine-Konferenz, und werden deren möglichen Ergebnisse, diese Empörung besänftigen und wieder eine Mehrheit von Bevölkerung und Parteien hinter eine Neutralitätspolitik bringen, die auf Abstand zur Sanktionenpolitik der EU bleibt?
Kann eine Ukraine-Konferenz ein anderes Thema, ein anderes Ergebnis haben als die Übergabe grosser Teile der Ukraine an die russische Armee, vielleicht die Demission der Regierung Selenski? Eine Teil- oder Vollkapitulation? Wird die Schweiz substanziell vermitteln, d.h. zu besserem Verlauf, besseren Ergebnissen der Konferenz beitragen können? Wird sie Vermittlerin sein oder nur Gastgeberin?
Wer wünscht nicht, dass in der Ukraine bald die Waffen schweigen und Geflüchtete zurückkehren können? Wenn die Konferenz zustande kommt und zu diesem Ergebnis führt, wird der Bundesrat dies als Erfolg seiner Neutralitätspolitik der Guten Dienste werten, und damit auch als Rechtfertigung seiner Distanznahme von den Sanktionen der EU. Aber über den weiteren Verlauf der Konfrontation zwischen Russland und dem Westen, über die Verhinderung eines Aufmarsches der russischen Armee vor dem Baltikum, muss zwischen den USA und Russland verhandelt werden, hoffentlich unter Einbezug der EU. Wenn dann Gute Dienste der Schweiz überhaupt gefragt sind, wird es für die Akzeptant schweizerischer Vorschläge bei der westlichen Konfliktpartei nicht von Vorteil sein, dass die Schweiz die russischen Rohstoffkonzerne und Konti unbehelligt lässt.
Wenn die Schweiz in den Sicherheitsrat der UNO gewählt wird, wird dies zu einer realistischeren Beurteilung der Möglichkeiten und Grenzen kooperativer Friedenspolitik eines Kleinstaates beitragen. Das ist wertvoll, denn kein europäischer Staat darf resignieren vor der Gefahr eines Kriegs in Europa zwischen Russland und der NATO, der den Kontinent in Schutt und Asche zu legen droht.