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Gibt „die Wirtschaft“ ihren Widerstand gegen mehr Festigkeit gegenüber China auf?

Die chinesische Führung agiert nach innen und in Hongkong immer brutaler, nach aussen immer aggressiver. Aber politische Bemühungen, ihr entgegenzutreten, schienen bisher an Interessen "der Wirtschaft" in China aufzulaufen. Nun meldet die wirtschaftsnahe "Frankfurter Allgemeine" Bewegung in deutschen Chefetagen. Und in der Schweiz?

Peking sei ein wichtiger Handelspartner, aber die EU dürfe Sanktionen nicht ausschliessen, schreibt Friederike Böge in der FAZ vom 11.9.2020: „Früher ließ sich die euro­päi­sche China-Poli­tik auf folgen­de Formel brin­gen: viel Wirt­schaft und ein biss­chen Menschen­rech­te“  „Pekings wich­tigs­te Verbün­de­te in Europa waren deut­sche Mana­ger, die hinter den Kulis­sen im Kanz­ler­amt darauf dran­gen, dass die Kritik an Chinas verhee­ren­der Menschen­rechts­bi­lanz nicht allzu harsch ausfal­len möge. Doch inzwi­schen hat Peking es geschafft, selbst größte Fürspre­cher zu verprel­len. Ausge­rech­net der Vorstands­vor­sit­zen­de von Siemens, Joe Kaeser, der sonst mit Lob für China nicht spart, ließ sich gerade mit der Aussa­ge zitie­ren, sein Unter­neh­men beob­ach­te die aktu­el­len Entwick­lun­gen in Hong­kong und in Xinjiang „mit Sorge“.

Das sind unge­kann­te Töne, mit denen auf eine neue Reali­tät reagiert wird, auf die Peking noch keine Antwort hat: Chinas Anse­hen in der Welt, und damit auch bei Siemens-Kunden, hat einen Tief­punkt erreicht. Wirt­schaft und Menschen­rech­te lassen sich nicht mehr einfach tren­nen. Unter­neh­men, die in Xinjiang operie­ren oder Vorpro­duk­te von dort bezie­hen, riskie­ren Boykott­auf­ru­fe und künf­tig womög­lich ameri­ka­ni­sche Sank­tio­nen. (…)

In Brüs­sel hofft man, dass China ange­sichts der Eska­la­ti­on in den Bezie­hun­gen zu Ameri­ka gewillt sein könnte, der EU entge­gen­zu­kom­men, um keine zweite Front zu eröff­nen. Doch dafür gibt es bisher keine Anzei­chen. (…)

Im Gegen­teil: Zuneh­mend geben der Sicher­heits- und der Propa­gan­da­ap­pa­rat in Peking den Ton an. Sie verbrei­ten ein Feind­bild vom Westen und treten dafür ein, west­li­che Einflüs­se als desta­bi­li­sie­ren­den Faktor zurück­zu­drän­gen. Sie stra­fen Unter­neh­men ab, wenn deren Heimat­län­der es wagen, gegen Chinas Inter­es­sen zu handeln; sie schre­cken vor Geisel­di­plo­ma­tie nicht zurück, wenn Länder straf­recht­lich gegen Chine­sen vorge­hen, die Peking für unan­tast­bar hält. Wer kann ausschlie­ßen, dass die chine­si­sche Staats­si­cher­heit als Nächs­tes bei einem Euro­pä­er anklopft? (…)“

*

Schweizer Wirtschaftspolitiker waren und bleiben in Versuchung, aus der Nichtzugehörigkeit der Schweiz zur EU auch problematische Vorteile zu ziehen. Es bleibt somit zu beobachten, ob der Widerstand gegen die Zeichen für mehr Festigkeit gegenüber China, die Aussenminister Ignazio Cassis aussendete, anhält.

Hierzu auch:

„China, das ‚Fressen‘ und die ‚Moral'“ (Link).

„China und Hongkong: Auch künftig zwei Systeme, aber nur noch ökonomisch?“ (Link)

„China-Alarm – aber was denkt man sich in der Exportwirtschaft?“ (Link)

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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