Bei der Burkainitiative stellen sich grundsätzliche, wirkungsbezogene, praktische und politische Fragen.
Grundsätzlich: Wollen wir uns durch unsere Empörung über eine Lebensweise, zu denen Frauen durch Männer oder durch ihren Glauben gezwungen werden, zu einer Freiheitsbeschränkung verleiten lassen? Ich neige dazu, ja zu sagen. Keine Freiheit für krassen Freiheitsentzug unter Privaten. „Die Burka ist ein Gefängnis der Frau“ – kann man es bestreiten? Ja, ich weiss, dass es muslimische Feministinnen gibt, die es bestreiten. Wir werden uns mit ihren Argumenten befassen müssen.
Mein Nein zur Burkainitiative resultiert auf der wirkungsbezogenen und praktischen Ebene. Wenn ein Burkaverbot durchgesetzt wird, führt dies dazu, dass Frauen, die sich den Befehlen ihrer Väter, Brüder und Ehemänner nicht widersetzen können oder die Bestrafung im Jenseits fürchten, aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen werden. Ihre Lebenslage kann sich verschlechtern. Die Chance, dass sie durch den Kontakt mit anderen Lebensweisen zu einer neuen Sicht auf ihre eigene kommen, schwindet.
Auch die Durchsetzung eines Burkaverbots durch Polizei und Justiz muss konkret durchdacht werden. Ich stelle mir vor, dass es im konkreten Fall eine mehrköpfige, geschlechtergemischte Polizeipatrouille braucht: Mindestens eine Polizistin, damit das Vorgehen gegen die Frau, vor allem wenn sie physischen Widerstand leisten sollte, nicht zur sexuellen Belästigung oder als solche betrachtet wird. Und mehrere männliche Polizisten, die die männliche Begleitung von Widerstand abhalten oder diesen brechen. Ist der Auftrag an die Polizei, ein Burkaverbot durchzusetzen, zu verantworten? Meine Meinung: Nein. Unsere Polizei hat Wichtigeres zu tun.
Nach meiner Überzeugung befreit das Burkaverbot keine Frau. Es verhärtet nur den Widerstand in patriarchalischen und strengreligiösen Familien.
Schliesslich die politische Frage: Nach Meinungsumfragen ist das Burkaverbot so gut wie angenommen. Soll man trotzdem eine Auseinandersetzung führen? Oder soll man entscheiden: Lassen wird das laufen. Eine Niederlage ist immer auch ein Sieg der Gegenpartei, der sie zu neuen Taten ermutigt, und das können wir nicht brauchen.
Wir haben immer wieder erfahren, dass Abstimmungskämpfe auch bei vermeintlich klarer Ausgangslage den gegenteiligen Entscheid herbeiführten. Ein Beispiel: Die Durchsetzungsinitiative.
Wir sollten gegen die Burkainitiative antreten.