Das Erfordernis des konstruktiven Misstrauensvotums ist eine kluge Konsequenz, die in der deutschen Verfassung aus dem Niedergang der Weimarer Republik gezogen wurde: Nach Grundgesetz kann eine Regierung nur gestürzt werden, wenn sich im Bundestag eine Mehrheit für eine neue Regierung bildet. Diese Vorschrift will ein Machtvakuum verhindern.
Die FDP leidet schwer unter der Mitverantwortung für eine Regierungspolitik, die ihrer Basis widerstrebt. Ein Koalitionswechsel zur Union könnte sie vor einem Absturz bewahren.
Und für die Grünen gibt es jetzt in Bundesländern mehrere Modelle schwarz-grüner Koalitionen. Ein Koalitionswechsel könnte für sie eine ebenso interessante strategische Option werden wie der Verbleib bei Scholz und seiner angeschlagenen Partei.
Aus dem Leitartikel „Schwarz-Grün hilft der CDU“ von Matthias Wyssuwa in der „Frankfurter Allgemeinen“ vom 30.6.22:
„So schaffen in den Ländern zwei Parteien eine klare Alternative zur Ampel in Berlin. Die CDU geht dafür das Risiko ein, dass die Grünen mit dem Bündnis ebenfalls weit über ihre Kernklientel hinaus für sich werben können: mit Kompetenzen, die man ihnen nicht zugetraut haben mag, und einem pragmatischen Regierungsstil, der nichts zu tun hat mit ideologischen Identitätsdebatten. In Schleswig-Holstein legen die Grünen auch einen Schwerpunkt auf die Sozialpolitik. Das wird man in Berlin genau verfolgen.“