Aus dem Bericht von Christian Weisflog, Korrespondent in Washington, auf der Frontseite der NZZ vom 10. August 2022:
«Während die Republikaner den Sturm auf das Capitol bis heute verharmlosen, bauschen sie ein durchaus nachvollziehbares Ermittlungsverfahren zu einer politischen Hexenjagd eines «Regimes» auf. Der ehemalige Republikaner und heutige Trump-Kritiker Joe Walsh verurteilte deshalb die wütende Rhetorik seiner früheren Parteikollegen als unverantwortlich und gefährlich: «Sie haben nichts aus dem 6. Januar gelernt. Es ist ihnen egal. Sie hetzen Millionen auf. Es wird Gewalt geben.»
Die USA-Berichterstattung der NZZ, kompetent und besonnen, bereitet uns seit dem Sturm auf Capitol auf das Szenario vor, dass die USA politisch zerfallen – man mag von Bürgerkriegsgefahr sprechen oder (noch) nicht. Es ist möglich, dass sie dadurch die Fähigkeit verlieren, weltweit den Aggressionen der autoritären Super- und Mittelmächte die Stirn zu bieten und damit auch die liberalen Demokratien Europas davor zu schützen.
Man darf nicht mehr mit Sicherheit damit rechnen, zumal da die Republikaner traditionell zum Isolationismus neigen und Trump eine Geschichte der Russlandnähe hat. Die Forderung nach einer militärischen Verselbständigung und Stärkung Europas steht längst im Raum. Aber das liberale, demokratische Europa muss auch seine globalen Beziehungen, politisch und ökonomisch, verselbständigen.
Im Hinblick auf eine solche Entwicklung ist für die Schweiz eine Anti-EU-Politik nicht mehr nur durch Ausbau der China-Beziehungen, sondern auch der USA-Beziehungen unrealistisch. Eine umfassende Öffnung und Kooperation der Schweiz gegenüber dem liberalen und demokratischen Europa wird unabdingbar. Die Schweiz sollte ohne weiteren Zeitverlust auf diesen Weg gehen.