Wirtschaftsfreiheit und ökonomische Prosperität ohne politische Freiheit und ohne Grundrechtsschutz sind möglich. Ein Beispiel hierfür war Chile zur Zeit der Diktatur des Generals Pinochet. In den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts übergab er die Führung der Wirtschaftspolitik radikalliberalen Ökonomen, die an der Universität von Chicago ausgebildet worden waren. Unternehmerische Freiheit koexistierte mit harter Diktatur.
China selber praktiziert eine solche Koexistenz bereits. So wurde Shanghai zu einem Finanzplatz von beachtlicher Bedeutung, wenn auch nicht vergleichbar mit Hongkong. In Industrie und Finanz kann man in China durchaus kapitalistisch reich werden, solange man das Machtmonopol der Kommunistischen Partei nicht in Frage stellt.
Die Interessen der Führung der Kommunistischen Partei Chinas und der in Hongkong tätigen westlichen Konzerne stimmen überein: Hongkong soll ein erfolgreicher Finanzplatz bleiben. David Chin, der bei der UBS in Hongkong für das China-Geschäft zuständig ist, sagt in einem Interview mit der NZZ, er sei “für die Zukunft des Finanzplatzes Hongkong uneingeschränkt optimistisch” (Link zum Interview, erschienen am 8.7.2020).
Wenn von der chinesischen Führung her keine Gefahr droht, dann vielleicht vom Streit um Prioritätensetzung im Westen: Von links bis rechts verlangen Parlamentarierinnen und Parlamentarier von ihren Regierungen harte Reaktionen auf die Verhärtung der chinesischen Politik im Allgemeinen und auf das Sicherheitsgesetz für Honkong im Besondern.
Dazu kommt der Eskalationskurs Trumps in der globalpolitischen Auseinandersetzung mit China.
Der Vorrang der Wirtschaftsinteressen ist somit nicht unangefochten. “Die Wirtschaft” ist einflussreich in den westlichen Hauptstädten, und sie hat Chancen, ihre Interessen in der China-Politik durchzusetzen. Aber ganz sicher ist die weitere Entwicklung nicht.
Link zu einem Artikel des deutschen Auswärtigen Amts: “‘Ein Land, zwei Systeme’ – Historischer Kompromiss und Formel für Hongkongs Zukunft”.