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Erfahrung des Ukrainekriegs – für Militärpolitik des Kleinstaats wichtig

Dass ein Kleinstaat darauf angewiesen ist, für seine militärischer Verteidigung die Zusammenarbeit mit einer ausländischen Macht vorzubereiten, wusste schon General Guisan. Die seitherige Entwicklung von Waffen und Systemen steigerte fortwährend diese Notwendigkeit. Der Ukrainekrieg zeigt nun einen weiteren Grund auf.

Aus dem Lage- und Entwicklungsbericht von NZZ-Korrespondent Ivo Mijnssen in der Ausgabe vom 2.12.23 (Link; der Bericht ist hinter Paywall):

“Verschiedene Experten glauben jedenfalls, dass die ukrainische Armee nächstes Jahr zu keinen grösseren Offensivoperationen fähig sein wird. Ihr biete sich jedoch die Chance, durch eine defensive Positionierung Kräfte zu sparen und sich durch Ausbildung und Modernisierung für 2025 besser aufzustellen, sagt der angesehene Militärexperte Michael Kofman. Dies müsste aber primär im Ausland geschehen, da die Ausbildungszentren der Armee in der Ukraine prioritäre Ziele für russische Raketenangriffe darstellten.”

Klar war, dass sich der Kleinstaat, wenn er sich im Angriffsfall militärisch verteidigen will, durch Kooperation vor weiträumiger Wirkung feindlicher Waffen schützen muss. Sonst sind die eigenen Truppen, ihre Stützpunkte und Logistikbasen beim Eintreffen feindlicher Truppen bereits weitgehend oder gänzlich unfähig, ihnen Widerstand zu leisten.

Nun zeigt der Ukrainekrieg, dass im Kriegsfall selbst ein Staat, der viel grösser ist als beispielsweise die Schweiz, auch die militärische Ausbildung ins Ausland verlegen muss, da, wie oben zitiert, “die Ausbildungszentren der Armee (…) prioritäre Ziele für (…) Raketenangriffe darstellten.”

*

Ist der Verteidigungsfall für die Schweiz überhaupt realistisch? Nach dem Zweiten Weltkrieg breitete sich die Meinung aus, die Schweiz würde nie allein angegriffen. Das mag sein. Aber die Schweiz hat bereits einmal erfahren, zum Schlachtfeld fremder Armeen zu werden: Im Zweiten Koalitionskrieg zwischen Frankreich und den europäischen Monarchien (Link zum Artikel des Historischen Lexikons der Schweiz). Für den Fall, dass Russland sich in ein paar Jahren für fähig hält, nach Westen vorzustossen, muss die Schweiz sich darauf vorbereiten, ihre Grenzen gegen ein allfälliges Umgehungsmanöver über Schweizer Territorium zu schützen.

Siehe auch:

“Verteidigungsvorbereitung mit dem Ausland – von General Guisan bis heute” (Link)

“Verteidigung der Neutralität – Verteidigung des Staatsgebiets” (Link)

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Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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