Sie befinden sich hier:

Corona als Erfahrung für mögliche Grosskrisen.

Wie würden die Menschen in der Schweiz und der europäischen Nachbarschaft auf Einschränkungen reagieren, die ihnen ein Grosskrieg oder schwere Folgen der Klimaerwärmung auferlegen würden? Die Erfahrung mit den Massnahmen gegen Corona lassen starke Widerstände erwarten, aber auch eine Chance erkennen, dass die Verantwortlichen durch ein Vorgehen, das in der Sache und in der Kommunikation überzeugt, einen grossen Teil der Bevölkerung für Kooperation gewinnen könnten.

Die Schweiz hat Erfahrungen: Während des Zweiten Weltkriegs fand sich das Volk damit ab, dass Lebensmittel rationiert wurden. Die “Anbauschlacht”* führte zu einem leichten Anstieg des Selbstversorgungsgrads, aber die Behörden mussten Widerstand eines Teils des stolzen Bauernstandes gegen die Umstellung von Vieh- auf Ackerwirtschaft brechen – wer das nacherleben möchte, lese Meinrad Inglins Roman “Der schwarze Tanner” (Link).

Wenn hier von Grosskrieg die Rede ist, braucht man nicht an Bombardierungen und Panzerschlachten nördlich von Bodensee und Rhein und westlich des Jura zu denken. Schon die Auswirkungen eines Kriegs zwischen den USA und China um Taiwan oder im südchinesischen Meer träfen Europa hart. Er könnte die Weltwirtschaft zusammenbrechen lassen, Nachschub wichtiger Güter des Alltags und der industriellen Produktion beeinträchtigen oder gar unterbinden, nach Atomwaffeneinsätzen zu weiträumiger Verstrahlung führen, weltweit Massenarbeitslosigkeit und Fluchtwellen auslösen.

Was die Auswirkungen der Klimaerwärmung betrifft, ist die Hoffnung verbreitet, dass es schon nicht so schlimm kommen werde, wie es könnte. Es kann aber auch schlimmer kommen, und schnell. Sicher ist nur die Unsicherheit.

Bevölkerungsschutz, Landesversorgung, aber auch die Antizipation der politischen Bewältigung müssen auf unterschiedliche Szenarien vorbereiten. Das Prinzip Hoffnung eignet sich nicht als Planungsgrundlage.

*  Historisches Lexikon der Schweiz, Auszug aus dem Kapitel “Anbauschlacht” (Link): “Widerstände in den Viehwirtschaftsregionen, Anbaumüdigkeit und Arbeitskräftemangel, das Ausbleiben von Arbeitslosigkeit und die trotz Blockaden nie völlig versiegenden Zufuhren waren die wichtigsten Gründe dafür, dass der Impuls der Anbauschlacht nach der fünften Anbauetappe von 1942 gebremst wurde. Von der Selbstversorgung blieb die Schweiz weit entfernt. Immerhin stieg der Selbstversorgungsgrad von 52% auf 59%, verbunden allerdings mit einer Senkung der durchschnittlichen Kalorienmenge pro Person von 3200 auf 2200 kcal.”

Picture of Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

Beitrag teilen

PDF erstellen oder ausdrucken

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfleder sind markiert *

Kommentar absenden

Ähnliche Artikel

Europapolitik: Zwei gegensätzliche Korrektur-Volksinitiativen

Schon länger angekündigt ist eine Europa-Initiative von Operation Libero und Mitbeteiligten. Nun kommt eine gegensätzliche Volksinitiative dazu: Diejenige von “Kompass Europa”. Beiden ist gemeinsam, dass sie nach allfälliger Annahme erst wirksam würden, nachdem die Schweiz begonnen hat, Erfahrungen mit Erfolg oder Scheitern der laufenden Verhandlungen mit der EU zu machen.

Weiterlesen »

Strategieverweigerung ist nicht Grundsatztreue

Trump, Orban, Höcke, Putin, Xi, Modi, Prinz Salman – sie profitieren von wirkungsmächtigen Entwicklungen. Eine Besinnung auf strategisches Denken und Handeln tut deshalb not. Die derzeit dominierende Orientierung des Denkens und Handelns am Trennenden schwächt uns und fördert die fundamentalen Gegenkräfte. Wir werden uns vermehrt danach richten müssen, mit wem wir welche Gemeinsamkeiten haben und punktuell oder bereichsweise gemeinsame Werte vertreten, gemeinsame Interessen verfolgen können. Das Prinzip “Koalition” muss aufgewertet werden. Strategieverweigerung schadet unseren Werten.

Weiterlesen »

Zur Entwicklung der Beziehungen zwischen FDP und SVP

Unter dem Druck von Mutmassungen, die FDP könnte sich in kommenden Wahlen und Abstimmungen der SVP annähern, bemüht sich Parteipräsident Thierry Burkart, die Eigenständigkeit der FDP hervorzuheben. Wie steht es um die Voraussetzungen einer Annäherung?

Weiterlesen »