Der Osthandel, zu verstehen als Handel mit der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten, spaltete das schweizerische Bürgertum, und wohl nicht nur das schweizerische. Ein grosser Teil der unternehmerischen Wirtschaft, primär der exportorientierten, verhielt sich nach dem Prinzip “Augen zu und durch!” Sie richtete sich konsequent nach wirtschaftlichen Interessen, trieb aber damit einen Teil des Bürgertums auf die Barrikaden, dessen Politikverständnis stärker ideell geprägt war, und dessen Antikommunismus spätestens nach der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands die Führung des Kalten Kriegs auch auf der wirtschaftlichen Ebene verlangte. Die Anti-Osthandel-Kampagne konnte sich nicht durchsetzen. (Mehr dazu im Anhang unten.)
Auch auf der Linken findet eine Debatte über den Umgang mit aggressiven Diktaturen statt. Es geht dort weniger um die Frage, ob man durch den Handel mit ihnen Geld verdienen soll; allenfalls geht es darum, ob man Arbeitsplätze in Frage stellen will. Im Vordergrund stehen vielmehr Fragen nach Protesten und Demonstrationen: Stellt man sich an die Seite kalter Krieger, wenn man gegen China oder Russland protestiert? Stehen die Verletzer der Menschenrechte und die Aggressoren rechts, wie das südafrikanische Apartheid-Regime, sind linke Forderungen nach Wirtschaftssanktionen selbstverständlich.
Eine andere Debatte ist die friedens- und sicherheitspolitische. Können, sollen, müssen wir mächtige Diktaturen an Nicht-Krieg interessiert halten? Ist Krieg nicht die grösste Katastrophe für die Menschenrechte? Oder technisch: Gefährdet Huawei unsere Sicherheit?
Anhang:
Auszug aus dem Historischen Lexikon der Schweiz, Kapitel “Kalter Krieg” (Link):
“Die Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn 1956 und der Bau der Berliner Mauer 1961 führten zu Boykottforderungen von Parteien und Verbänden. Die schweiz. Wirtschaft und der Bundesrat zeigten zwar Verständnis für diese Reaktionen; sie waren aber nicht bereit, den Osthandel, der in ihren Augen zu einer glaubwürdigen Neutralitätspolitik beitrug, auszusetzen. Im Zug der Entspannungspolitik Mitte der 1960er Jahre förderten die Spitzenverbände, unterstützt vom Bundesrat, den Handel mit den kommunist. Staaten wieder; zu diesem Zweck schloss die Schweiz zwischen 1971 und 1975 mehrere neue Wirtschaftsabkommen ab. Der Anteil des Osthandels stieg dadurch auf eine Rekordhöhe, fiel dann aber aufgrund der Krise der osteurop. Staaten bis Anfang der 1990er Jahre wieder auf rund 3%.”