Augenfällig sind die Differenzen bezüglich der Beziehungen zur EU und der sicherheitspolitischen Notwendigkeit von Kooperation mit der NATO. Grosse Teile der FDP, wie auch Verbände der Privatwirtschaft und die Forschung, drängen auf eine rasche Stabilisierung der bilateralen Beziehungen mit der EU. Die SVP bildet dagegen mit den Gewerkschaften eine Blockadekraft, die vorläufig unüberwindlich scheint. Die FDP tritt für die militärisch notwendige Zusammenarbeit mit der NATO ein, die SVP stellt sich mit einer „Neutralitätsinitiative“ entgegen.
In der Europapolitik könnte sich die Lage allerdings ändern. Wenn der Bundesrat den Gewerkschaften durch eine europakompatible Stärkung des Lohnschutzes entgegenzukommen versucht, zeichnet sich ein Widerstand von Arbeitgeberseite ab, der Teile der FDP wie auch Teile des rechten Flügels der Mittepartei an die Seite der SVP drängen könnte: Sie würden vorerst die Nachteile der Erosion des Bilateralismus vorziehen. Blockieren würden dann nicht mehr SVP und Gewerkschaften, sondern SVP, Arbeitgeberverbände und rechte Flügel der bürgerlichen Parteien.
Klar ist, dass FDP und SVP in Finanz-, Steuer-, Sozial- und innerer Sicherheitspolitik in den Parlamenten und Volksabstimmungen oft gleich stimmen werden. Bei der inneren Sicherheit zeigten sich allerdings Grenzen der Übereinstimmung: Die FDP lehnte die SVP-Initiative „gegen fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)“ ab, die die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Folge gehabt hätte.
Die Übereinstimmungen sind durchaus Motive für gegenseitige Unterstützung in Wahlen, insbesondere in Majorzwahlen. Teile der Wirtschaft, etwa Gewerbeverbände, setzen sich dafür ein. Zu welchem Zeitpunkt man damit wie weit gehen kann, hängt von der jeweils aktuellen Gewichtung der Differenzen und Gemeinsamkeiten und von den zur Wahl stehenden Personen ab.
Europa-, Sicherheits-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik sowie innere Sicherheit sind aber nicht die einzigen Bereiche, auf die es für die Entwicklung der Beziehungen zwischen FDP und SVP ankommt. Teile der FDP-Basis legen Wert auf wirksame Massnahmen gegen den Klimawandel – auch wenn sie mit der SVP darin übereinstimmen, dass es neue Grosskraftwerke braucht, vielleicht auch atomare -, haben grosse Mühe mit der sehr konservativen Gesellschaftspolitik der SVP (Geschlechterrollen) und sind nicht – oder nur teilweise, etwa in der Verkehrspolitik – bereit, sich an der Land-Stadt-Konfrontation zu beteiligen, die die SVP führt.