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Haben “die Wissenschafter” keine Verantwortung übernommen?

Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli gegenüber der NZZ: «Die Wissenschafter haben bei dieser Pandemie die Politik und die Medien ziemlich lange regelrecht vor sich hergetrieben, ohne wirklich je Verantwortung übernehmen zu müssen.» (7.5.20, S. 1.) Das macht uns auf eine interessante Frage aufmerksam: Was bedeutet das eigentlich, Verantwortung zu übernehmen? Für welche Funktionen, für welche Arten der Einflussnahme, der Machtausübung?

Da das Votum von einer Politikerin kommt, beginnen wir doch bei der Politik. Verantwortung zu übernehmen bedeutet normalerweise, vor die Wählerinnen und Wähler zu treten und sich bei den nächsten Wahlen ihrem Urteil über bestimmte Entscheide, die man eben verantwortet, zu stellen. In besonders ernsten Fällen kann Strafe, Schadenersatzpflicht, in einigen politischen System Amtsenthebung dazukommen.

Und für Wissenschafterinnen und Wissenschafter? Sicher steht immer ihre Anerkennung in der Fachwelt auf dem Spiel. Diese ist nicht bedeutungslos. Sie ist ihnen sehr wichtig. Wenn sie in vertraglich abgestützten Auftragsverhältnissen für eine Regierung oder Verwaltung arbeiten, können Schadenersatzpflichten dazukommen, und in extremen Fällen von Pflichtverletzung auch Strafen.

Eine regierende Politikerin kann sich über den Einfluss der Wissenschaft ärgern. Aber wenn sie den Wissenschaftern und Wissenschafterinnen generell vorwirft, sich nicht verantworten zu müssen, wäre Frau Rickli zu wünschen, dass sie gelegentlich hierüber das Gespräch mit ihnen sucht, vielleicht in Kontakt mit dem höchsten Bildungsminister unseres Landes, ihrem Parteifreund Guy Parmelin.

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Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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