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Gibt es Grenzen der Öffentlichkeit – und damit der Demokratie – in den Aussenbeziehungen?

Die Aussenbeziehungen der Schweiz sind ganz und gar demokratisch bestimmt, sogar direktdemokratisch. Dass es auf globalpolitischer Stufe für die Gestaltung der Aussenbeziehungen durch die Supermächte Grenzen der Öffentlichkeit gibt - oder geben müsste -, und damit Grenzen der Demokratie, zeigt die Rezension eines beachtenswerten Buches über die Gefahr eines Grosskriegs zwischen den USA und China.

„Die Verhandlungen sollten durch hochrangige Repräsentanten aus der nächsten Umgebung der beiden Staatspräsidenten geführt werden. Die roten Linien sollten nicht öffentlich festgelegt werden, um sich nicht dem Druck populistischer Scharfmacher in beiden Ländern auszusetzen.“ So fasst Mark Siemons in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 14.8.2022 eine Empfehlung von Kevin Rudd in dessen kürzlich erschienenem Buch „The Avoidable War“ zusammen. Rudd war Premierminister Australiens und ist Vorsitzender der Asia Society, die auch in der Schweiz eine Sektion hat.

So sehr die Empfehlung einleuchtet, so offensichtlich ist, dass es schwer oder gar unmöglich wäre, ihr nachzukommen. Man stelle sich vor, wie die Trump-Bewegung auf einen Versuch des Präsidenten reagieren würde, Geheimverhandlungen mit China über so Substanzielles wie „rote Linien“ zu führen: Mit einer koordinierten Strategie von Protest und Desinformation. Und Nancy Pelosis Reise nach Taiwan deutet in einem ganz andern Teil des politischen Spektrums auf einen starken Willen zur parlamentarischen Einflussnahme auf die Aussenbeziehungen hin. Jedenfalls wollte Pelosi den Eindruck einer selbständigen Intervention schaffen (was nicht ausschliesst, dass Pelosis Reise doch mit Teilen der Administration koordiniert war, da China angeblich mit jedem Jahr, um das die militärische Konfrontation aufgeschoben wird, militärisch weiter erstarkt).

Fällt es Diktaturen leichter, Konflikte mit andern Staaten zu vermeiden oder unter Kontrolle zu halten, als Demokratien? Ein Beispiel mag sein, dass sich islamische Regierungen in ihrem militärischen und ökonomischen Interesse die Pflege und Weiterentwicklung guter Beziehungen zu China leisten wollen und können, ohne sich um die Unterdrückung ihrer uigurischen Brüder und Schwestern im Glauben zu kümmern. Autoritäre Regierungen in Ankara, Teheran und anderswo lassen es ja nicht zu, dass jemand sie hierfür zur Rede stellen oder gar zur Rechenschaft ziehen würde.

Die Meinung ist verbreitet, dass Demokratien keine Kriege wollen. Aber wie steht es um ihre Voraussetzungen, deren Ausbruch und Eskalation zu vermeiden?

Link zur Online-Version der Buchbesprechung von Mark Siemon.

Bild von Ulrich Gut

Ulrich Gut

Ulrich Gut (1952), Dr. iur., wohnt in Küsnacht ZH. Der ehemalige Chefredaktor und Kommunikationsberater kommentiert auf Online Plattformen politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Er präsidiert Unser Recht und ch-intercultur. 2009-2020 war er Zentralpräsident von Alzheimer Schweiz.

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