Welches sind die Kriegsrisiken? Lassen sie sich eindämmen?
In einem Gespräch, das ich kürzlich mitverfolgte, wurde auf den Wiederaufstieg von Rechtsextremisten in Europa hingewiesen. Bis jetzt machen sie sich vor allem durch Fremdenfeindlichkeit, Vorgehen gegen den Rechtsstaat und Ablehnung der europäischen Integration bemerkbar. Gegen Nachbarländer wenden sie sich noch kaum. Aber das kann noch kommen. Die FPÖ hat bereits die Südtirol-Frage wieder zum Thema gemacht.
Aber das grössere Kriegsrisiko ist derzeit wohl die erkennbare Bereitschaft Mächtiger, Konflikte eskalieren zu lassen. Eine Hoffnung besteht darin, dass die Mächtigsten Egozentriker, nicht aber Suizidale zu sein scheinen. So besteht die Gefahr weniger darin, dass ein Grosskrieg direkt angestrebt wird, als dass er durch Kontrollverlust oder unvorhergesehene Ereignisse ausbricht. Und es gibt religiöse und nationalistische Fanatiker, die in den Besitz von Massenvernichtungswaffen kommen können. Beängstigend ist neuerdings die Entwicklung des Hindu-Extremismus in Indien.
Wenn der französische Präsident Macron in der aussenpolitischen Tradition Charles de Gaulles die Beziehung zu Russland zu stärken versucht und zugleich vor dem Niedergang der Nato warnt, betreibt er – nebst andern Motiven, die er haben mag – europäische Friedenspolitik: Russland muss an Nicht-Krieg in Europa interessiert bleiben und zugleich Verteidigungsbereitschaft Westeuropas erkennen. Die Krim-Annexion muss ein völkerrechtswidriges, leider irreversibles Einzelereignis bleiben.
Was hat die Kriegsgefahr mit Menschenrechtspolitik zu tun? Man tut sich sehr schwer mit der Erkenntnis, dass die Handlungsfreiheit für internationale Menschenrechtspolitik immer enger wird. Aber wenn Nichteinmischung Teil von Friedenspolitik ist, muss man sich auch vor Augen halten, dass Menschenrechte im Krieg wohl am übelsten missachtet werden. Halten wir die Menschenrechte einstweilen vor allem bei uns hoch, und behaupten wir uns auch ökonomisch und sozial erfolgreich als Menschenrechtsraum im neu entbrannten Wettbewerb der Systeme.
Wenn nun der US-Kongress ein Gesetz gegen das Vorgehen Chinas in Hongkong erlässt, muss der primäre Reflex, dies zu unterstützen, hinterfragt werden. Nach dem Ungarn-Aufstand 1956 waren die niedergeschlagenen Aufständischen zutiefst enttäuscht, weil sie aus dem Westen trotz Sypathiebekundungen nicht unterstützt wurden. Was wollen die USA für die Demonstranten tun, wenn China zuschlägt, und wenn es stimmt, dass Grosskaufmann Trump keinen Schiesskrieg will?
Siehe auch:
“Wie könnte Russland Europa verändern, und was ist eine sinnvolle Russlandpolitik?” (Link zum Artikel)