“Europa muss Erdogans Machtphantasien bremsen.” Der so überschriebene Kommentar von Markus Bernath in der “NZZ am Sonntag” vom 29.12.19 (S. 15) mündet in die Sätze: “Dem Staatschef geht es um das Wiederaufleben des Osmanischen Reichs. Der Traum der türkischen Nationalisten vom Zugriff auf Syrien, Zypern, die Ägäis und Libyen bedeutet nur mehr Instabilität an Europas Grenzen. Aussenpolitisch aktiver werden und Rüstungslieferungen an die Türkei stoppen wäre angezeigt.”
Gehen wir richtig, wenn wir annehmen, dass die Schweiz hier mit “Europa” nicht mitgemeint ist? Aber wenn doch, scheint offen zu bleiben, in welcher Weise.
Es entspricht einer langen Tradition, dass das publizistische Flaggschiff des Deutschschweizer Bürgertums (seit der Gründung der “NZZ am Sonntag” sind es zwei Schwesterschiffe) das militärisch und politisch integrierte Europa (NATO; EWG, EG, EU) zu härterer Führung von Konflikten auffordert. Man mag jeweils damit einverstanden sein oder nicht, aber es ist nichts dagegen einzuwenden, dass solche Meinungen vertreten werden. Die Schweiz hat mit Recht immer abgelehnt, zu Gesinnungsneutralität verpflichtet zu sein oder gar ihre Bürger und Bürgerinnen dazu anzuhalten.
Nur wäre wünschenswert, dass jeweils auch ein zweiter Schritt getan würde: Mindestens ein Versuch der Analyse und des Vorschlags, was dies für die schweizerische Aussenpolitik und für die Entwicklung der Sicherheitslage unseres Landes bedeutet.
Die Schweiz hat sich beeindruckend schlau aus den europäischen und globalen Konflikten herausgehalten. Und die Geschichte und Europa sind mit der Schweiz sehr pfleglich umgegangen -wenn zum Beispiel nach dem Zweiten Weltkrieg die Schweizer Wirtschaft unversehrt den Wettbewerb mit den zerbombten Konkurrentenländern führen konnte.
Man sollte nicht für selbstverständlich nehmen, dass das für alle Zeiten garantiert ist. Bemühen wir uns wenigstens, weiterhin schlau zu sein.