“Der ehemalige Befehlshaber der US-Truppen in Europa, Ben Hodges, hat die angeblichen Pläne der US-Regierung unter Präsident Donald Trump für eine Truppenreduzierung in Deutschland scharf kritisiert. Hodges sagte dem «Spiegel», die Entscheidung von Trumps Kernteam sei ein «kolossaler Fehler» und ein «rein politisches Manöver». Das Magazin zitiert ihn weiter mit den Worten: «Die Entscheidung illustriert, dass der Präsident nicht verstanden hat, wie essenziell die in Deutschland stationierten US-Truppen für die Sicherheit Amerikas sind.»”
Link zum Bericht der Deutschen Presseagentur in der NZZ.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten die West-Alliierten in ihrem höchst eigenen Interesse verhindern, dass die andere Siegermacht, die von Stalin geführte Sowjetunion, Westeuropa besetzte. Ein sowjetisch besetztes Westeuropa wäre nicht nur für die US-Wirtschaft von grösstem Nachteil gewesen. Sowjettruppen am Atlantik hätten auch Weltherrschafts-Ambitionen Stalins Auftrieb gegeben. Um dies zu verhindern, verliessen sich die USA nicht auf den Eindruck ihrer Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki auf die Sowjetführung, sondern förderten das wirtschaftliche und militärische Wiedererstarken Westeuropas, einschliesslich Deutschlands, wobei sie zuliessen, dass auch nationalsozialistisch belastete Leistungsträger dazu beitrugen. Der Plan des Finanzministers der USA, Henry Morgenthau, Deutschland zu einem Agrarstaat herunterzufahren, musste konsequenterweise verworfen werden.
General Hodges kann also durchaus recht haben, wenn er Trump vorhält, er würde mit einem Teilabzug den Interessen der USA schaden. Offenbar hält er auch nichts von einer allfällige Verlagerung dieser Truppen nach Polen. Dies zu beurteilen, ist schwierig. Man muss sich auf die Beschäftigung mit dem Szenario eines Angriffs russischer Truppen einlassen. Nimmt Trump an, dass dieser wahrscheinlich schwergewichtig über Polen geführt würde und in Polen gestoppt werden müsste? Rein militärisch ist dies für Laien, die auch über keine geheimdienstlichen Informationen verfügen, nicht beurteilbar. Bekannt ist aber, dass Trump kompetente Verantwortliche und Ratgeber reihenweise gefeuert hat. Leider ist möglich, dass Trump mit einer Verlagerung nach Polen vor allem ein Zeichen der politischen, ideellen Verbundenheit mit der polnischen Regierungspartei setzen will.
Würde man Trump rationales Handeln zutrauen, könnte man einen Teilabzug aus Deutschland als Vertrauensbeweis in die Fähigkeit Deutschlands und Europas betrachten, sich militärisch schrittweise zu verselbständigen. Jedenfalls bekräftigt die Aussicht auf eine solche Massnahme die Notwendigkeit einer sicherheitspolitischen Verselbständigung Europas
Sicherheitspolitische Verselbständigung Europas bedeutet nicht nur militärische Stärkung. Im nuklearen Bereich ist sie ohnehin kaum in relevanter Dimension möglich, auch wenn diskutiert wird, ob Deutschland irgendwie die atomare Force de Frappe Frankreichs ergänzen sollte.
Sicherheitspolitische Verselbständigung Europas bedeutet auch, die Beziehungen zu Russland so zu entwickeln, dass die russische Führung an Nicht-Krieg in Europa interessiert bleibt, vor allem ökonomisch. Auch irrationale Faktoren sind zu berücksichtigen: Westeuropa tut gut daran, dem russischen Nationalstolz sowie den Opfern Russlands im Krieg gegen Hitler und Russlands Bedeutung für dessen Niederlage Rechnung zu tragen.