Schutz des deutschen Bundesverfassungsgerichts vor politischer Einflussnahme?

Deutschlands Regierungskoalition und die oppositionelle Union kommen zusammen, um über einen besseren Schutz der Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu beraten. "Denn in den vergangenen Jahren liess sich ziemlich genau beobachten, welchen Angriffen oberste Gerichte ausgesetzt sein können: in Polen, in Ungarn, in Israel" ("Frankfurter Allgemeine", 8.4.24).

«Heute steht den Rechtspolitikern offensichtlich die Gefahr vor Augen, die von der AfD ausgeht», stellt die FAZ-Kommentatorin, Marlene Grunert, fest: «Genügend Anlass bietet die Partei. Gleichzeitig darf sich der Blick dadurch nicht verengen. Es geht um etwas Grundsätzlicheres: um den Schutz einer Institution, die die Bedingungen unserer Rechtsordnung gewährleistet. Nicht um eine Lex AfD. Um diesem Verdacht zu entgehen und um ein gutes Gesetz zu machen, müssen die Unterhändler konkret benennen, welche Gefahren jetzt und in Zukunft drohen und wie man meint, sie mit Mitteln des Rechts einhegen zu können. Solche Prognosen sind nicht trivial. Der Gesetzentwurf von Justizminister Buschmann enthält zu alldem bislang kaum etwas. Schwammig ist dort die Rede von „Bestrebungen, die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit in Frage zu stellen“. Das Papier soll aber auch nur eine Diskussionsgrundlage sein. Damit dürfte auch zu erklären sein, dass der Entwurf ausgerechnet den Aspekt außer Acht lässt, über den am meisten diskutiert wird: die Wahl der Richter.»

Grunert schliesst den Kommentator mit der Mahnung, man solle sich «über die Kraft des Rechts keine Illusionen machen. Es ersetzt keinen politischen Prozess, und man entledigt sich des Problems nicht durch eine Verfassungsänderung. Die Gefahren, die von denen ausgehen, die den Rechtsstaat stürzen wollen, lassen sich durch Gesetze allein nicht bannen. Aber Hindernisse kann und sollte man errichten.» (Link)

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Stärkerer Schutz der Gerichte vor politischer Einflussnahme – ein Bestreben, das in der Schweiz auf absehbare Zeit kaum realistisch ist. Vorab ist daran zu erinnern, dass die Schweiz kein Verfassungsgericht hat: Die Gesetzgebung ist in der Schweiz frei, verfassungswidrige Gesetze zu erlassen*. Eine Ausnahme bilden die Menschenrechte, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention und deren Gerichtshof geschützt sind. Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen in der Schweiz nach Artikel 190 der Bundesverfassung umgesetzt werden.

Versuche, die Unabhängigkeit des Bundesgerichts stärker zu schützen, sind gescheitert. Anlässlich der Beratung einer «Justizinitiative», die die unrealistische Forderung erhob, Richterinnen und Richter künftig durch Los einzusetzen, wurde ein Gegenvorschlag erwogen, aber letztlich verworfen (Link). Die «Justizinitiative» wurde in der Volksabstimmung ebenfalls verworfen, und dies deutlich.

Eine Kernfrage war, ob die Wiederwahl der Bundesrichterinnen und Bundesrichter abgeschafft werden sollte. Dadurch hätte das Parlament die Möglichkeit verloren, einen Bundesrichter oder eine Bundesrichterin durch Nichtwiederwahl für eine politisch unliebsame Rechtsprechung zu bestrafen. Zu Ehren des Parlaments sei festgestellt, dass es einen Antrag der SVP, einen ihrer Bundesrichter nicht wiederzuwählen, verwarf (Link). Bei den derzeitigen politischen Mehrheitsverhältnissen ist die Hoffnung berechtigt, dass auch bei künftigen Wiederwahlen der Respekt vor der Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter erhalten bleibt.

*   «Schweizerische Bundesverfassung: Doppelt legitimiert, aber schutzlos» (Link)

 

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