Wie widerstands- und leidensfähig sind Demokratien?

In der NZZ wird nun die Frage aufgeworfen, ob Nationalrätin Martullo-Blocher mit wachsender Unterstützung für ihre Forderung nach Gas- und Friedensverhandlungen mit Putin rechnen darf. Die Widerstands- und Leidensfähigkeit von Demokratien könnte aber unterschätzt werden - ein Beispiel aus dem 20. Jahrhundert.

Christina Neuhaus, Leiterin der Inlandredaktion der NZZ, in einem am 28.6.22 erschienenen Artikel über die Reaktionen auf die Stellungnahme Martullo-Blochers:

«Spannend zu beobachten wird sein, wer von Martullo-Blochers Kritikern und Unterstützern den Kurs hält und wer im Verlauf der Krise politische Justierungen vornimmt. Denn mit ihrer Aussage hat die Nationalrätin den Elefanten im Raum angesprochen: die drohende Gas- und damit Strommangellage.»

Martullo-Blocher hat selbst schon die Erwartung geäussert, dass Energiemangel, insbesondere Gasmangel, zu politischer Unruhe in westeuropäischen Ländern führen könnte. Hat es Putin in der Hand, die Völker Westeuropas gegen ihre Regierungen aufzuputschen, indem er sie frieren lässt, ihre Industrien durch Energiemangel schädigt und dadurch die Arbeitslosigkeit steigen lässt? Er unterstützt ja schon länger rechtspopulistische Parteien, bis hin zu Geldzahlungen an diejenige von Marine Le Pen.

Ein Beispiel, das zeigt, dass die Widerstands- und Leidensfähigkeit von Demokratien unterschätzt werden kann: Grossbritannien beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und während dessen Verlaufs. Hitlers Bomben auf britische Städte haben dazu geführt, die Reihen hinter Winston Churchill zu schliessen. Bemerkenswert war auch, wie sich verwöhnt, elitär und dekadent gewähnte Studenten plötzlich als todesmutige, erfolgreiche Kampfpiloten bewährten. Übrigens gilt die Warnung vor dem Unterschätzen des Widerstandswillens nicht nur für Demokratien: Auch die Bombardierung deutscher Städte führte nicht zu einer Abwendung vieler Anhänger von Hitler. Und wie wir jetzt erleben, büsst auch Putin infolge der Sanktionen kaum Unterstützung in der Bevölkerung ein.

 

Vielen Dank fürs Lesen.

Schreiben Sie einen Kommentar