Der Niedergang der Beziehungen Schweiz-EU kann sich über Jahre hinziehen

"Cassis würde gescheiter mit Maillard als mit Šefčovič verhandeln" (D. von Burg, SonntagsZeitung 19.6.22). Richtig. Aber die Gewerkschaften bewegen sich wohl erst, wenn sie nicht mehr umhin kommen, reale Nachteile von Marktanteilsverlusten der Schweizer Wirtschaft für Schweizer Arbeitnehmende, für deren Löhne und Beschäftigung stärker zu gewichten als ihre Ablehnung des EU-Gerichtshofs in Luxemburg.

Das kann lange dauern. Denn aktuell heisst das Hauptproblem auf den schweizerischen Arbeitsmarkt Fachkräftemangel. Daraus kann man allzu leicht kurzschliessen, ein gewisser Nachfragerückgang bei der schweizerischen Exportwirtschaft sei doch ganz gut: Arbeitskräfte, die diese nicht mehr benötige, könnten dann andere Stellen antreten, wo sie dringend benötigt würden: Im Schuldienst, im Pflegedienst, in Gastgewerbe und Hotellerie, im Handwerk, bei der Swiss usw. Man müsste diese Strategie ökonomisch durchdenken. Sie funktioniert wohl nicht mehr, wenn in der Exportwirtschaft nicht nur Stellen verloren gehen, sondern auch hohe Erträge, und damit sowohl Steuereinnahmen als auch Mittel der Exportwirtschaft für Aufträge an die Binnenwirtschaft. Sie fehlen dann zur Finanzierung der steigenden Personalkosten in Bereichen, die ihren Fachkräftemangel abbauen.

Denis von Burg hat sehr recht: Der Bundesrat sollte sich intensiv mit den Gewerkschaften austauschen und irgendwann mit ihnen zu verhandeln beginnen. Aber die Gewerkschaften bewegen sich wohl erst, wenn sie nicht mehr darum herumkommen, reale Nachteile von Marktanteilsverlusten der Schweizer Wirtschaft im Wirtschaftsraum der EU für Schweizer Arbeitnehmende, auf deren Löhne und Beschäftigung, stärker zu gewichten als ihre Ablehnung des EU-Gerichtshofs in Luxemburg. Das kann lang gehen.

Schweiz und EU müssen sich auf Jahre gestörter Beziehungen und niedergehender bilateraler Beziehungen einstellen. Umso wichtiger, dass Avenir Suisse diese Entwicklung mit ihrem Erosionsmonitor aufzeigt.

Und vielleicht wächst derweil der Teil der politisch aktiven Bevölkerung, dem die Geduld ausgeht – und der die Europa-Initiative von Operation Libero unterstützt.

Vielen Dank fürs Lesen.

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