Wählt die Bundesversammlung allmächtige Chefinnen und Chefs der Departemente?

Auch in der Schweiz werden eigentlich die wichtigsten Politiken durch die Gesamtregierung gestaltet und entschieden. Dennoch läuft jetzt die Diskussion über die bevorstehenden Bundesratswahlen, wie wenn die Bundesversammlung allmächtige Departementschefinnen und -chefs wählen würde. Nur schon die Möglichkeit, dass eine Kandidatin oder ein Kandidat ein bestimmtes Departement übernähme, kann so zum Ausschlussgrund werden.

Tatsächlich ist das Prinzip «Regierungspolitik» in der Schweiz viel schwächer als in parlamentarischen Demokratien. Die Schweiz bindet die Departemente weder in einen Koalitionsvertrag ein noch unterstellt sie sie einer Richtlinienkompetenz der Regierungschefin oder des Regierungschefs.

Aber zum schweizerischen Regierungssystem gehört das Kollegialprinzip. Es ist schwach, aber nicht bedeutungslos. Immer wieder müssen Mitglieder des Bundesrates im Parlament und vor dem Volk Politiken vertreten, die durch Kolleginnen und Kollegen anderer Parteien massgeblich mitbestimmt wurden.

Ein Beispiel: Wie schädlich es für die Klimapolitik wäre, wenn Albert Rösti Chef des UVEK würde, hängt deshalb nicht allein von seinen eigenen Vorverständnissen, nicht allein von seinem energie- und umweltpolitischen Vorleben ab, sondern auch vom Willen der Kolleginnen und Kollegen, auf seine Anträge Einfluss zu nehmen und bei ihm klimapolitisch notwendige Vorschläge zu «bestellen». Hierfür gibt es das Mitberichtsverfahren vor den Bundesratsbeschlüssen, und diesem vorgelagert die Ämterkonsultation. Entscheidend ist natürlich, ob die Stäbe der anderen Bundesräte in der Lage sind, valable Mitberichte zu erarbeiten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Stäbe befassen sich gezielt mit Bundesratsgeschäften anderer Departemente. Es ist also nicht so, dass aus einem SVP-UVEK eine SVP-Klimapolitik resultieren würde – aber es käme wohl schon zu Verzögerungen, da der SVP-Bundesrat zumindest zu Beginn seiner Tätigkeit kaum aus eigenem Antrieb griffige Anträge stellen würde. Das Kollegium würde Zeit brauchen, ihn dazu zu bewegen.

Hansueli Vogt als Justiz-, Polizei- und Migrationsminister? Er hat die Volksinitiative «gegen fremde Richter» («Selbstbestimmungsinitiative») angeschoben und redigiert, die zur Folge gehabt hätte, dass für die Schweiz die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg unbeachtlich worden wären. Die Schweiz hätte deshalb die Europäische Menschenrechtskonvention kündigen müssen. Allerdings musste Vogt auch erleben, dass Volk und Stände diese Initiative deutlich ablehnten. Trotz Kollegialprinzip hätte es zweifellos Auswirkungen, wenn diesem Mann das Departement übergeben würde, das in der Rechts-, Polizei- und Migrationspolitik vorangeht. Dabei ist nicht nur an die Anträge an den Bundesrat zu denken, sondern auch an die selbständigen Kompetenzen des Departements.

Gelinde gesagt nicht ganz selbstverständlich ist die Prioritätensetzung, die sich laut Medienberichten im linksgrünen Spektrum abzeichnet: Dass es wichtiger sei, die Einflussnahme Röstis auf die Klimapolitik zu verhindern, als diejenige Vogts auf Rechtsstaat, Grundrechte und Migration.

 

 

Vielen Dank fürs Lesen.

Schreiben Sie einen Kommentar