„Der politisch organisierte Liberalkonservatismus muss den Mut haben, aus den sozialen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte die Konsequenzen zu ziehen. Dazu gehört die Einsicht, dass weite Teile des neuen Bürgertums für seine Anliegen verloren sind. Lasst sie ziehen! Sie zurückzuholen, ist nur um den Preis der Selbstaufgabe möglich. Weder der schicke IT-Berater noch die hippe Designerin repräsentieren das zukünftige Wählermilieu. Das lebt in der Provinz, liebt sein Jägerschnitzel, fährt Diesel, will keine Gendersprache und will die Felder vor seinem Dorf nicht mit Windrädern zustellen lassen.“ (Alexander Grau, NZZ 22.9.21, S. 31)
Das liest sich wie eine ideologische Grundierung der neuen SVP-Strategie.
Leider stelle ich fest, dass vermehrt bisherige Leserinnen und Leser der NZZ den Ruf „Lasst sie ziehen!“ auf sich beziehen. Das fällt kommerziell offenbar nicht ins Gewicht. Aber es ist schade, weil sich noch immer viele Journalistinnen und Journalisten dieser Zeitung bewusst sind: Liberale sind auf neue ökologische, soziale und gesellschaftspolitische Themen eingegangen, weil sie ihre Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit und die Notwendigkeit eigener Antworten und Strategien erkannt haben – und nicht um in einem Freund-Feind-System des Philosophen Grau zu kapitulieren.
Die Selbstisolation, die dieser Autor dem „politisch organisierten Liberalkonservatismus“ empfiehlt, hat keine Zukunft. Auch deshalb, weil die neue SVP-Strategie bereits sichtbar macht: Zumindest eine grosse Minderheit auf dem „Land“ lässt sich nicht durch „politisch organisierten Liberalkonservatismus“ vereinnahmen.