Es ist nicht nur die „NZZ“ mit ihrem erstarkenden rechten Flügel und ihrer Berlin-Redaktion, sondern auch die „SonntagsZeitung“ der TX Group, die sich liberale Leserinnen und Leser mehr und mehr entfremden. Die tatkräftigen Exponenten der rechten Redaktionsflügel können jedes Thema an sich ziehen, das für ihre politische Richtung wichtig und ergiebig ist: Was bei der NZZ Katharina Fontana, ist bei der „SonntagsZeitung“ Rico Bandle…
Ein politisches Online-Tagesmagazin kann eine Vollzeitung natürlich nicht voll ersetzen. Aber das Online-Zeitalter bietet heimatlos gewordenen Leserinnen und Lesern eine Vielfalt von Informationsmöglichkeiten, unter denen die Recherche-starke „Republik“ eine wachsende Rolle spielen könnte. Dazu gehören auch ausländische Angebote. Sehr interessant ist zum Beispiel der Vergleich von Berichten und Kommentaren in der „Frankfurter Allgemeinen (FAZ)“ und den Schweizer Zeitungen, insbesondere der NZZ, über internationale und deutsche Politik. Die FAZ hat auch einen Schweiz-Korrespondenten, und die „Zeit“ sogar einen Schweiz-Teil mit einer Schweiz-Redaktion.
Die „Republik“ müsste sich aber entscheiden, dies zu wollen, und hierfür eine Strategie finden. Ein Problem, das sie überwinden müsste, aber auch die Ansätze dazu zeigen sich im Interview des „Tages-Anzeigers“ (10.11.23) mit dem Verwaltungsratspräsidenten der „Republik“, Michel Huissoud. Förderlich wäre, wenn sie in einem meinungspluralistischen Rahmen zur Plattform interner und externer liberaler Autorinnen und Autoren würde.
Auszug:
„Aber die «Republik» ist doch genauso links wie die WOZ.
Huissoud: Das glaube ich nicht. Ich will das jedenfalls nicht.
Wie würden Sie denn das heutige politische Profil der «Republik» beschreiben?
Huissoud: Das weiss ich nicht.
Sie sind doch ein politisch interessierter Zeitgenosse!
Huissoud: Ich weiss es wirklich nicht. Aber ein genialer Artikel war für mich der Beitrag der «Republik» über das E-Voting: Die Journalistin Adrienne Fichter zeigt darin, dass das eigentlich ein zehnjähriges Debakel ist, für das alle Parteien verantwortlich sind. Das Debakel ist parteiübergreifend. Das könnte ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle sein!
Haben Sie der Redaktion schon gesagt, dass Sie sich einen politischen Pluralismus auf der Redaktion wünschen?
Huissoud: Das weiss die Redaktion, man kennt mich bereits gut genug.
Wie hat die Belegschaft darauf reagiert?
Huissoud: Wir haben die Gespräche noch nicht zu Ende geführt. Aber im Manifest der «Republik» steht ganz oben die Kritik der Macht. Macht ist nicht links oder rechts. Daher gibt es keine heilige Kuh und keine Fragen, die tabu sind. Damit sind alle bei der «Republik» einverstanden.
Wird es neben dem breit aufgestellten linken Flügel bei der «Republik» auch noch einen gleich starken rechten geben?
Huissoud: Ehrlich gesagt, finde ich diese Opposition zwischen rechts und links ein bisschen überholt.
Wirklich?
Huissoud: Ja, ich finde die Unterscheidung zwischen konservativ und revolutionär viel interessanter. Also zwischen Leuten, die gar nichts verändern wollen und den anderen, die revolutionär, also innovativ sein wollen.
Soll die «Republik» kein Identifikationsangebot mehr sein?
Huissoud: Im Sinn Links-Rechts? Nein, aber eine Hilfe, sich zu orientieren und um Politik zu machen.“